Endstation für neun
Nachdem wir uns getrennt hatten, bin ich Richtung Stadt gegangen, und auf der Skanstullsbron sind zwei Kollegen in einem Streifenwagen vorbeigekommen und haben mich erkannt. Sie waren gerade über Funk alarmiert worden und haben mich schnurstracks hingefahren. Ich war als einer der Ersten vor Ort.«
Sie schwiegen lange. Dann sagte Kollberg nachdenklich:
»Wozu hatte er wohl diese Fotos?«
»Um sie sich anzusehen«, sagte Martin Beck.
»Ja. Natürlich. Aber trotzdem…«
13
Bevor Martin Beck am Mittwochmorgen das Haus verließ, rief er Kollberg an. Sie wechselten nur wenige Worte. »Kollberg.«
»Hallo. Martin hier. Ich fahre jetzt.«
»Okay.«
Als der Zug in die U-Bahn-Station Skärmarbrink einfuhr, stand Kollberg bereits auf dem Bahnsteig und wartete. Sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, immer im letzten Wagen zu fahren, und leisteten sich auf die Art oft Gesellschaft auf dem Weg in die Stadt, selbst wenn sie sich nicht vorher verabredet hatten.
Sie stiegen am Medborgarplatsen aus und nahmen den Aufgang zur Folkungagatan. Es war zwanzig nach neun, und fahles Sonnenlicht sickerte durch die Wolkendecke. Zum Schutz vor dem eisigen Wind schlugen sie die Mantelkragen hoch und gingen die Folkungagatan in östlicher Richtung hinab.
Als sie um die Ecke zur Ostgötagatan bogen, sagte Kollberg:
»Hast du was gehört, wie es dem Typen im Krankenhaus geht? Schwerin?«
»Ja, ich habe heute Morgen angerufen. Die Operationen sind insofern gut verlaufen, als er noch lebt. Aber er ist immer noch bewusstlos, und die Ärzte können erst etwas über seine Chancen sagen, wenn er aufwacht.«
»Wird er denn aufwachen?« Martin Beck zuckte mit den Schultern. »Das weiß man nicht. Wir können es wirklich nur hoffen.«
»Ich frage mich, wie lange es dauern wird, bis die Zeitungen ihn aufgespürt haben.«
»Im Karolinska haben sie jedenfalls versprochen, dichtzuhalten«, sagte Martin Beck.
»Mag sein«, erwiderte Kollberg. »Aber du weißt ja, wie Journalisten sind. Wie Blutegel.«
Sie gingen die Tjärhovsgatan bis zur Hausnummer 18. TORELL stand auf der Mietertafel im Hauseingang, aber über dem Türschild im zweiten Stock hing ein weißes Kärtchen, auf dem mit schwarzer Tinte in Druckbuchstaben der Name ÄKE STENSTRÖM stand.
Die junge Frau, die ihnen öffnete, war klein, Martin Beck schätzte ihre Größe routiniert auf eins sechzig. »Kommen Sie herein und legen Sie ab«, sagte sie und schloss die Tür hinter ihnen.
Ihre Stimme war leise und ein wenig heiser. Äsa Torell trug eine enge schwarze Hose und einen kornblumenblauen, gerippten Rollkragenpullover. Ihre Füße steckten in dicken grauen Wollsocken, die mehrere Nummern zu groß waren und vermutlich Stenström gehört hatten. Sie hatte braune Augen und dunkle, sehr kurz geschnittene Haare. Ihr Gesicht war kantig und weder als süß noch als schön zu bezeichnen, eher als lustig und apart. Sie war zierlich gebaut, hatte schmale Schultern und Hüften und kleine Brüste.
Sie stand schweigend und abwartend da, während Martin Beck und Kollberg ihre Hüte neben Stenströms alte Uniformmütze auf die Hutablage legten und ihre Mäntel aufhängten. Dann ging sie vor ihnen in die Wohnung.
Das Zimmer, das zwei Fenster zur Straße hatte, war gemütlich und gepflegt. An einer Wand stand ein riesiges Bücherregal, dessen Schmalseiten und obere Einfassung mit Schnitzereien verziert waren. Abgesehen von dem Regal und einem lederbezogenen Ohrensessel schienen die Möbel relativ neu zu sein. Der Fußboden wurde fast vollständig von einem dicken, leuchtend roten Webteppich bedeckt, und die dünnen Wollvorhänge hatten exakt denselben roten Farbton.
Das Zimmer war unregelmäßig geschnitten, und von seiner hinteren Ecke führte ein kurzer Durchgang in die Küche. Durch eine offene Tür im Flur sah man in das zweite Zimmer der Wohnung. Küche und Schlafzimmer lagen zum Hof. Äsa Torell setzte sich in den Ledersessel und zog die Füße unter sich. Sie zeigte auf zwei Safaristühle, und Martin Beck und Kollberg setzten sich. Der Aschenbecher auf dem niedrigen Tisch zwischen ihnen und der Frau war bis zum Rand mit Kippen gefüllt.
»Ich hoffe, Ihnen ist klar, dass wir uns wirklich nur ungern aufdrängen«, begann Martin Beck. »Aber… es ist wichtig, dass wir möglichst schnell mit Ihnen sprechen dürfen.« Äsa Torell antwortete nicht sofort. Sie griff nach der brennenden Zigarette, die auf dem Rand des Aschenbechers lag, und nahm einen tiefen Zug. Ihre Hand zitterte
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