Endstation für neun
den Armen, und obwohl das Hemd wie eine lose drapierte Stoffbahn an ihrem mageren Körper hing, zeichneten sich ihre großen Brustwarzen als markante Erhebungen unter dem Stoff ab.
»Setz dich«, sagte er.
Sie zuckte mit den Schultern, nahm sich eine neue Zigarette und ging zur Schlafzimmertür, während sie mit dem Feuerzeug herumspielte.
»Setz dich«, brüllte Kollberg.
Sie schreckte zusammen und sah ihn an. In ihren großen braunen Augen lag ein beinahe hasserfüllter Glanz. Jedenfalls ging sie zum Sessel und setzte sich ihm gegenüber hin.
Kerzengerade, die Hände auf den Oberschenkeln. In der rechten Hand hielt sie das Feuerzeug, in der linken die noch unangezündete Zigarette.
»Wir müssen die Karten auf den Tisch legen.« Sagte Kollberg und schielte verlegen auf den braunen Umschlag, während er über seine ausgesprochen unglücklich gewählte Formulierung nachsann.
»Ausgezeichnet«, sagte sie mit kristallklarer Stimme. »Nur, dass ich keine Karten zu legen habe.«
»Aber ich.«
»Achja?«
»Als wir dich neulich besucht haben, waren wir nicht ganz ehrlich zu dir.«
Sie hob ihre dunklen, buschigen Augenbrauen. »In welchem Punkt?«
»In mehreren Punkten. Zuallererst möchte ich dich fragen: Weißt du, was Äke in diesem Bus gemacht hat?«
»Nein, nein, nein und nochmal nein. Ich habe keine Ahnung.«
»Wir wissen es nämlich auch nicht«, sagte Kollberg.
Er machte eine kurze Pause, atmete tief durch und sagte:
»Äke hat dich angelogen.«
Sie reagierte heftig. Ihre Augen blitzten auf. Sie ballte die Hände zu Fäusten. Die Zigarette wurde zwischen ihren Fingern zerbröselt, und Tabakkrümel verteilten sich auf dem Stoff der Hose.
»Wie kannst du es wagen, mir so etwas zu sagen«, stieß sie hervor.
»Ich sage es, weil es die Wahrheit ist. Äke war weder an dem Montag, an dem er ermordet wurde, noch an dem Samstag in der Woche davor im Dienst. Er hatte den ganzen Oktober und in den ersten beiden Novemberwochen ungewöhnlich oft frei.«
Sie starrte ihn wortlos an.
»Das sind Tatsachen«, erklärte Kollberg. »Es gibt noch etwas, was ich gerne wissen möchte: Trug er im Allgemeinen eine Pistole, wenn er nicht im Dienst war?« Es dauerte einen Moment, bis sie antwortete. »Fahrt zur Hölle und quält mich nicht länger mit euren Verhörmethoden. Warum kommt der große Vernehmungsleiter eigentlich nicht höchstpersönlich? Martin Beck?« Kollberg biss sich auf die Unterlippe. »Hast du viel geweint?«, fragte er. »Nein. Das liegt mir nicht.«
»Na, jetzt antworte schon, verdammt. Wir brauchen deine Hilfe.«
»Wobei?«
»Dabei, denjenigen zu finden, der ihn ermordet hat. Und die anderen.«
»Warum?«
Sie schwieg eine Weile. Dann sagte sie so leise, dass er es nur mit Mühe verstand:
»Rache. Ja, genau. Um sich zu rächen.«
»Hatte er die Pistole regelmäßig dabei?«
»Ja. Jedenfalls oft.«
»Warum?«
»Warum nicht? Am Ende hat sich doch gezeigt, dass er sie brauchte. Oder wie?« Er antwortete nicht.
»Obwohl sie ihm auch nichts genützt hat«, sagte sie. Kollberg blieb weiterhin stumm. »Ich habe Äke geliebt«, sagte sie.
Ihre Stimme war klar und konstatierend. Sie schien einen Punkt hinter Kollberg zu fixieren.
»Äsa?«
»Ja.«
»Er war also oft unterwegs. Du weißt nicht, was er trieb, und wir wissen es auch nicht. Meinst du, er könnte mit jemand anderem zusammen gewesen sein? Genauer gesagt, mit einer anderen Frau?«
»Nein.«
»Du meinst nicht?«
»Ich meine gar nichts. Ich weiß es.«
»Woher willst du das wissen?«
»Das geht niemanden etwas an außer mir selbst. Und ich weiß es eben.« Sie sah ihm plötzlich in die Augen und sagte verblüfft:
»Habt ihr euch das etwa eingebildet? Dass er eine Geliebte hatte?«
»Ja. Wir ziehen diese Möglichkeit nach wie vor in Betracht.«
»Das könnt ihr euch sparen. Das ist völlig ausgeschlossen.«
»Warum?«
»Ich habe doch gesagt, dass dich das nichts angeht.«
Kollberg trommelte mit den Fingerkuppen auf der Tischplatte und meinte:
»Aber du bist dir sicher?«
»Ja. Ich bin mir sicher.« Er atmete tief durch, wie um Anlauf zu nehmen.
»Hat sich Ake für Fotografie interessiert?«
»Ja. Es war im Grunde sein einziges Hobby, seit er aufgehört hat, Fußball zu spielen. Er hat drei Kameras. Und auf dem Klo steht so ein Vergrößerungsapparat. Also im Badezimmer. Er hatte da eine Dunkelkammer.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Warum fragst du danach?«
Er schob den Umschlag auf ihre Seite des Tisches. Sie legte das
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