Endstation Kabul
wir uns an die Planung und suchten das benötigte Material zusammen. Während der Patrouille sollten wir auch draußen schlafen, wir mussten genug Wasser, Verpflegung und Batterien einpacken. Anhand der Meldungen der letzten Tage erstellten wir unseren Einsatzplan. Wo in den letzten Tagen gehäuft Gewalttaten aufgetreten waren, wollten wir verstärkt Präsenz zeigen. Nach dem ersten Tag wollten wir dann flexibel reagieren. Außerdem hofften wir, im Zuge der Gesprächsaufklärung neue Erkenntnisse und Hinweise aus der Bevölkerung zu erhalten, denen wir dann gezielt nachgehen wollten.
Kaum zwölf Stunden nach unserem Abzug aus der »Kabul Garrison« saßen wir wieder in unseren Fahrzeugen und begannen bei Nacht mit der Patrouille. Der einzige Lichtblick bei diesem Einsatz war das INSAF-Hotel, das sehr westlich orientiert war und sehr zentral in Kabul lag, genauer: eine Hähnchenbraterei genau vor dem INSAF-Hotel. Verführerisch duftend drehte sich dort das Geflügel und ließ uns das Wasser im Munde zusammenlaufen, wann immer wir daran vorbeikamen. Spätestens am nächsten Abend, so viel stand fest, könnte uns die Einmannverpflegung gestohlen bleiben. Ein knuspriges Hähnchen wäre eine schöne Belohnung für den ansonsten ziemlich unspektakulären Einsatz.
Die Patrouille war nämlich reine Routine. Die Banden, die in den letzten Tagen für Unruhe gesorgt hatten, ließen sich nicht blicken. Und in puncto Hinweisen aus der Bevölkerung sah es ebenfalls mau aus. Die Kriminellen, das war deutlich zu erkennen, hatten Angst vor Repressalien. Am zweiten Abend, wir alle hatten lediglich in den Fahrzeugen geruht, was mächtige Rückenschmerzen nach sich zog, war es dann so weit. Gegen 21 Uhr gab uns der Teamführer per Funk das nächste Ziel durch: das INSAF-Hotel. Jippie!
Schlagartig war Stimmung in der Bude. Auch diejenigen, die zusammengekauert auf ihrem Sitz gelümmelt hatten, saßen kerzengerade und waren hellwach. Die Aussicht auf ein frisch gebratenes Hähnchen wirkte tatsächlich aufputschend! Keine dreißig Minuten später kauten zufriedene Kommandosoldaten, mit fetttriefenden Fingern und Mündern, ein Hähnchen. Andächtige Stille herrschte, so konzentriert waren alle auf das leckere Essen. Es schmeckte wirklich herrlich. Nach ereignislosen 48 Stunden – von der Hähnchenesserei mal abgesehen – meldeten wir uns zurück im Camp. Die Dusche wurde an diesem Tag ausgiebig und lang durch uns genutzt. Zum Teil ernteten wir wütende Blicke von anderen Soldaten, da wir den ganzen Betrieb aufhielten. Aber nach fast neun Tagen im Dauereinsatz hatten wir uns das redlich verdient.
Der nächste Tag stand unter einem guten Stern: Wir hatten endlich mal frei. Unser Plan war, erst mal richtig auszuschlafen und dann nach Kabul zu fahren, einfach so, zum Shoppen. Keiner von uns hatte schon ein Mitbringsel für seine Lieben daheim, es wurde also höchste Zeit, die afghanische Wirtschaft kräftig anzukurbeln. Nach einem ausgiebigen Frühstück fuhren wir los. Natürlich erst mal in eine Touristenfalle, die »Chicken Street«. In dieser Straße waren alle möglichen Handwerker vertreten, von Goldschmieden über Schreiner, die kunstvoll verzierte Truhen jedweder Größe herstellten, sowie Wasserpfeifenmacher. Allerdings waren ihre Waren deutlich teurer als auf den anderen Märkten. Unser Sprachmittler Mustafa riet uns, in kleinere Geschäfte fern des Trubels zu gehen. Dankbar für den Hinweis stimmten wir zu und fuhren einige versteckte Hinterhöfe im Zentrum von Kabul an, die wir nie gefunden hätten, wenn Mustafa uns keinen Tipp gegeben hätte.
Als wir durch die kleinen staubigen Seitenstraßen fuhren, war weit und breit kein vielversprechendes Geschäft zu sehen. Nur die üblichen Marktstände, die angelehnt an die zweistöckigen Häuserzeilen aufgebaut waren. Mit Tüchern hatten die Händler eine Art Sonnenschutz und Vordach gebaut, darunter hatten sie ihre Waren ausgelegt. Solche Stände gab es in Kabul wie Sand am Meer, allerdings herrschte hier weniger Betriebsamkeit als auf anderen Straßen. Wollte Mustafa uns ans der Nase herumführen? Doch dann bat unser Sprachmittler, dass der Fahrer anhalten solle, stieg aus und klopfte an eine Tür. Prompt öffnete sich ein Guckloch, und ein mürrisch dreinblickendes Männergesicht tauchte auf. Als er ein paar Meter weiter zwei Fahrzeuge voller ISAF-Soldaten sah, wechselte seine Mimik ziemlich schnell. Mit strahlendem Lächeln öffnete er die Tür. Ein sehr großer Hinterhof,
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