Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Endstation Kabul

Endstation Kabul

Titel: Endstation Kabul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Achim Wohlgethan
Vom Netzwerk:
höchster Alarmbereitschaft fuhren wir langsam weiter und sahen schließlich vor uns eine Hügelkette liegen, auf die wir zusteuerten. Nach einer kurzen Weile konnten wir in einiger Entfernung Schüsse hören. Sofort hielten wir an und brachten uns in Windeseile in Stellung. Jeweils einer blieb am Fahrzeug am Maschinengewehr und sicherte nach vorne, die zwei verbleibenden Dreierteams saßen ab und gingen vor den Fahrzeugen in Linie, um dann überschlagend vorzugehen: Drei Mann laufen fünf Meter, bleiben stehen, die anderen drei rücken zehn Meter nach, dann die anderen wieder zehn Meter vorwärts und so weiter. Wir waren erst ein paar Schritte gelaufen, da waren am Berg Bewegungen zu erkennen.
    Kleine schwarze Punkte wuselten den Abhang hinunter direkt auf uns zu. Das musste der Rest der Afghanen auf der Flucht sein. Vermutlich waren sie von irgendjemandem gestellt worden, denn es waren bereits weniger als zwölf Männer, die den Hang hinunterkamen.
    Plötzlich rutschten und kullerten die Männer zu Boden und verschwanden aus unserem Blickfeld. Von unserer Stellung aus konnten wir nicht in die kleine Senke einsehen, in die sie gefallen waren. Also gingen wir langsam und vorsichtig weiter, bis wir einen Funkspruch von unserem Teamführer erhielten:
    »Achtung, eigene Teile vor uns!«. Nun mussten wir doppelt vorsichtig sein: zum einen, weil wir nicht wussten, was mit den Afghanen in der Senke los war; zum anderen, weil offensichtlich ein anderes KCT-Team in der Nähe war und wir uns versehentlich gegenseitig unter Kreuzfeuer nehmen könnten. Wir blieben sofort stehen und bauten unsere Eigensicherung auf und warteten ab. Aufmerksam und angespannt behielten wir unsere Umgebung im Auge, da wir nicht wussten, ob noch jemand auf dem Hügel über uns war, von wo wir ja vor einigen Minuten noch Schüsse gehört hatten.
    Auf einmal kamen zwei Jeeps mit hoher Geschwindigkeit auf uns zugerast und rissen mich aus meinen Gedanken. Aus dem einen stieg ein ISAF-Offizier, der andere war zivil gekleidet. Ich stutzte. Den Mann kennst du doch irgendwoher, dachte ich. Natürlich! Das war der Zivilist, der mir bereits bei dem »Absturz« der MIG hinter dem Camp über den Weg gelaufen war. Schon damals hatte ich den Verdacht, dass er vom Geheimdienst ist. Hier wurde es mir nun bestätigt, er stellte sich nämlich als Angehöriger eines amerikanischen Nachrichtendienstes vor. Da hatte ich gar nicht mal so falsch gelegen mit meiner Vermutung.
    Die zwei begannen sofort mit ihrer Befragung. Ob wir etwas gefilmt hätten, wollten sie als Erstes wissen. Klares Nein. Schließlich hatten wir andere Sorgen gehabt, als wir die Bande verfolgten. Plötzlich bemerkten wir, dass links auf einer kleinen Anhöhe ein Kameramann mit seinem Stativ stand und auf die Szenerie hielt. Der Amerikaner und der andere Offizier gingen schnurstracks zu ihm und redeten auf ihn ein. Uns erzählten sie hinterher, er habe sich als Kameramann des amerikanischen Senders NBC ausgegeben. Jedenfalls kamen sie mit einer Filmkassette zurück, die der amerikanische Geheimdienstler dem Kameramann abgeluchst hatte. Offensichtlich war er alarmiert, denn er wollte noch mal von uns wissen, ob wir irgendwelches Bildmaterial angefertigt hätten, was wir wiederum verneinten. Nach einigem Hin und Her und weiteren Fragen zum Hergang konnten wir nun endlich den Ort des Geschehens verlassen.
    Wir fuhren zurück ins Camp und hätten nur zu gerne die Füße hochgelegt, doch wir mussten noch unseren Bericht, den sogenannten »After Action Report«, verfassen. Dieses Mal jedoch war es anders. Die Teamführer riefen uns nicht zu einer Nachbesprechung zusammen, sondern schrieben den Bericht ohne uns und übergaben ihn unserer OPZ. Von dort wurde mir wenig später auch gemeldet, dass der Rechtsberater der deutschen KMNB angerufen habe und mich wegen dieses Vorfalls in Bagrami sprechen wolle. Er äußerte die Befürchtung, dass der Kameramann dem amerikanischen Geheimdienstler nur einen »Dummy«-Film übergeben hätte. Mir war klar, dass die Bundeswehr kein Interesse daran haben konnte, dass möglicherweise ein Film existierte, auf dem ein deutscher Soldat, nämlich ich, in Zusammenhang mit diesem seltsamen Vorfall zu erkennen wäre. Zumal ich inzwischen gehört hatte, dass die zwölf Afghanen allesamt erschossen worden waren. Das hätte angesichts der sonst kultivierten Friedenseinsatz-PR nicht ins Bild gepasst. Zum Glück war der Rechtsberater recht kulant und sagte, ich könne ruhig erst am

Weitere Kostenlose Bücher