Endstation Venedig
den Bergen haben wir noch woanders angehalten; da hatten wir unser Picknick. Und Danny ist ein Weilchen allein im Wald herum-gestreift, aber er konnte sich nicht mehr erinnern, wo er hingefallen ist, ich meine an welcher Stelle. Das habe ich Foster gesagt und versucht, ihm zu beschreiben, wo das war, aber ich wußte nicht mehr genau, wo wir den Wagen geparkt hatten. Wenn man drei Kinder und einen Hund im Auge behalten muß, achtet man auf so etwas nicht weiter.
Wie hat er reagiert, als Sie sagten, daß Sie sich nicht genau erinnern können?
Himmel, er wollte, daß ich mit ihm hinfahre. Ich sollte an einem Samstag den ganzen Weg da mit ihm rauffahren und die Stelle suchen und sehen, ob ich den Parkplatz wiederfinde.
Und, haben Sie das getan?
Um Himmels willen, nein, nicht mal für Geld und gute Worte.
Ich habe drei Kinder und eine Frau und, wenn ich Glück habe, einen freien Tag die Woche. Den werde ich doch nicht damit verbringen, in den Bergen herumzurennen und nach der Stelle zu suchen, wo ich mal irgendwann gepicknickt habe. Außerdem war das gerade in der Zeit, als Danny im Krankenhaus war, und da wollte ich meine Frau nicht unbedingt einen ganzen Tag allein lassen, nur um Gemseneier zu suchen.
Was hat er gemacht, als Sie ihm das sagten?
Also, man sah ihm an, daß er ziemlich wütend war, aber ich habe eben gesagt, daß ich nicht kann, und daraufhin hat er sich wohl beruhigt. Er hat dann nicht mehr gefragt, ob ich mitgehe, aber ich glaube, er ist allein hingefahren, vielleicht auch mit Dr. Peters.
Wie kommen Sie darauf?
Na ja, er ist zu einem Freund von mir gegangen, der in der Zahnklinik arbeitet. Der ist Röntgentechniker und hat mir erzählt, Foster sei an einem Freitagnachmittag zu ihm ins Labor gekommen und habe ihn gefragt, ob er ihm übers Wochenende seine Marke leiht.
Seine Marke?
Den Dosimeter. Die nennen das Ding >Marke<. Es ist so ein kleiner Anhänger, den alle tragen müssen, die mit Röntgenstrah-len zu tun haben. Wenn man zuviel Strahlung abkriegt, verfärbt er sich.
Brunetti nickte, er wußte Bescheid.
Also, jedenfalls hat
mein Bekannter ihm das Ding übers Wochenende geliehen und am Montagmorgen zurückbekommen. Wie versprochen.
Und der Sensor?
Hatte sich nicht verändert. Das Ding hatte immer noch dieselbe Farbe wie vorher.
Warum glauben Sie, daß er es sich aus diesem Grund geliehen hatte?
Sie kannten ihn nicht, oder?
fragte er Brunetti, der den Kopf
schüttelte.
Er war ein komischer Kauz. Richtig ernst. Ich meine, er hat seine Arbeit wirklich ernst genommen, oder eigentlich alles.
Ich glaube, er war auch religiös, aber nicht so wie diese verrückten Wiedergeborenen. Wenn er einmal etwas als richtig erkannt hatte, konnte man ihn nicht davon abbringen, es auch zu tun. Und er hatte es sich in den Kopf gesetzt, daß. . .
Hier hielt er inne.
Ich weiß
nicht genau, was er sich in den Kopf gesetzt hatte, aber er wollte herausfinden, wo Danny mit diesem Zeug in Berührung gekommen war, auf das er allergisch reagierte.
War es das? Eine Allergie?
Das haben sie uns gesagt, als er aus Deutschland zurückkam.
Sein Arm sieht schrecklich aus, aber die Ärzte da oben meinen, daß es ziemlich gut verheilt. Könnte vielleicht ein Jahr dauern, aber die Narbe verschwindet, oder wenigstens verblaßt sie.
Ambrogiani sprach zum erstenmal.
Hat man Ihnen gesagt, wo-
gegen er allergisch ist?
Nein, das konnten sie nicht feststellen. Sie meinten, daß es wahrscheinlich der Saft von irgendeinem Baum war, der in den Bergen dort wächst. Alle möglichen Tests haben sie mit dem Jungen gemacht.
Sein Gesicht bekam einen weichen Ausdruck, und seine Augen leuchteten vor Stolz.
Hat nie geklagt, der Junge. Hat das
Zeug zum richtigen Mann. Bin ganz schön stolz auf ihn.
Aber wogegen er allergisch ist, hat man Ihnen nicht gesagt?
wiederholte der Carabiniere.
Nee. Und dann haben diese Knallköpfe auch noch Dannys Krankenblatt verschlampt, jedenfalls die Unterlagen aus Deutschland.
Bei diesen Worten tauschten Brunetti und Ambrogiani einen Blick, und Brunetti fragte:
Wissen Sie, ob Foster die Stelle ge-
funden hat?
Nein. Er ist ja zwei Wochen nachdem er sich dieses Dosimeter-Dings ausgeliehen hatte, umgebracht worden, und ich hatte keine Gelegenheit mehr, noch mal mit ihm zu reden. Ich weiß es also nicht.
Es tut mir leid, daß ihm das passiert ist. Er war ganz in Ordnung, und daß seine Freundin sich das alles so zu Herzen genommen hat, tut mir auch leid. Ich wußte ja nicht, daß die
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