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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gestimmt werden, aber dieses Instrument schien nach Reisen von zahllosen Lichtjahren und Jahrhunderten perfekt gestimmt zu sein.
    Ich zog die Bank hervor, setzte mich und begann, Für Elise zu spielen.
    Es war ein kitschiges, einfaches Stück, aber es schien zur Stille und Einsamkeit dieses dunklen Ortes zu passen. Tatsächlich schien das Licht um mich herum trüber zu werden, als die Noten in dem kreisförmigen Raum ertönten und die dunkle Treppe hinauf und hinunter zu hallen schienen. Während ich spielte, dachte ich an Mutter und Grandam, die sich nie hätten träumen lassen, dass mein Klavierunterricht als Kind einmal zu diesem Solo in einem versteckten Raumschiff führen würde. Die Traurigkeit dieses Gedankens schien in die Musik einzufließen, die ich spielte.
    Als ich fertig war, nahm ich die Finger hastig, fast schuldbewusst von der Tastatur und überlegte, wie anmaßend es von mir war, ein so einfaches Stück so erbärmlich auf diesem kostbaren Instrument, diesem Geschenk aus der Vergangenheit, zu spielen. Ich blieb einen Moment schweigend sitzen und dachte staunend über das Schiff und den alten Dichter und meine eigene Rolle in diesem verrückten Schicksalsplan nach.
    »Sehr schön«, sagte eine sanfte Stimme hinter mir.
    Ich muss gestehen, dass ich zusammenzuckte. Ich hatte nicht gehört, dass jemand die Treppe herauf- oder heruntergekommen wäre, und nicht das Gefühl gehabt, als hätte jemand den Raum betreten.
    Es war niemand in dem Raum.
    »Ich habe schon seit langer Zeit niemanden mehr dieses spezielle Stück spielen hören«, ertönte die Stimme wieder. »Mein voriger Passagier bevorzugte Rachmaninow.«
    Ich legte eine Hand auf die Bank, um mich abzustützen, und dachte an alle dummen Fragen, die ich unausgesprochen lassen konnte.
    »Bist du das Schiff?«, fragte ich und wusste nicht, ob das eine dumme Frage war, wollte aber die Antwort wissen.
    »Natürlich«, lautete die Antwort. Die Stimme klang sanft, aber irgendwie maskulin. Natürlich hatte ich schon früher sprechende Maschinen gehört, aber niemals eine, die tatsächlich intelligent sein könnte. Kirche und Pax hatten alle wahren KIs vor mehr als zwei Jahrhunderten verbannt, und als sie mit angesehen hatten, wie der TechnoCore den Ousters geholfen hatte, die Hegemonie zu Fall zu bringen, stimmten die Mehrzahl der Billionen Menschen auf tausend verwüsteten Welten dem von ganzem Herzen zu.
    Mir wurde klar, dass meine eigene Programmierung in dieser Hinsicht höchst wirksam gewesen war: Der Gedanke, mit einer wahrhaft vernunftbegabten Maschine zu sprechen, machte meine Handflächen feucht und schnürte mir die Kehle zu.
    »Wer war dein... äh... voriger Passagier?«, sagte ich.
    Die Andeutung einer Pause. »Der Gentleman war gemeinhin als der Konsul bekannt«, sagte das Schiff schließlich. »Er war fast sein ganzes Leben lang Diplomat der Hegemonie gewesen.«
    Nun war ich mit dem Zögern an der Reihe, bevor ich weitersprach. Mir kam der Gedanke, dass die »Hinrichtung« in Port Romance vielleicht lediglich meine Neuronen dermaßen durcheinander gewirbelt hatte, dass ich den Eindruck hatte, in einem der epischen Gedichte Grandams zu leben.
    »Was ist aus dem Konsul geworden?«, fragte ich.
    »Er ist gestorben«, sagte das Schiff. Vielleicht schwang ein ganz schwacher Unterton des Bedauerns in der Stimme mit.
    »Wie?«, fragte ich. Am Ende der Cantos des alten Dichters nach dem Fall des Weltennetzes war der Konsul mit einem Schiff zurück ins Netz gereist. Diesem Schiff? »Wo ist er gestorben?«, fügte ich hinzu. Die Cantos berichteten, dass das Schiff, mit dem der Hegemoniekonsul Hyperion verlassen hatte, mit der Persönlichkeit des zweiten Cybrids von John Keats durchdrungen war.
    »Ich kann mich nicht erinnern, wo der Konsul gestorben ist«, sagte das Schiff. »Ich erinnere mich nur, dass er gestorben ist und ich hierher zurückgekehrt bin. Ich nehme an, dass dieser Befehl zu dem Zeitpunkt in meine Kommandobänke einprogrammiert war.«
    »Hast du einen Namen?«, fragte ich ein wenig neugierig, ob ich mit der KI-Persönlichkeit von John Keats redete.
    »Nein«, sagte das Schiff. »Nur Schiff.« Wieder eine Pause, die mehr war als simples Schweigen. »Obwohl ich mich zu entsinnen scheine, dass ich einmal einen Namen hatte.«
    »War er John?«, fragte ich. »Oder Johnny?«
    »Schon möglich«, sagte das Schiff. »Die Einzelheiten sind verschwommen.«
    »Wieso?«, fragte ich. »Haben deine Erinnerungsspeicher eine Fehlfunktion?«
    »Nein,

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