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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Mater Commander Stone und stößt sich ab.
    Das Genesungszimmer vor der Auferstehungskrippe ist mehr eine Kapelle als eine Krankenstation. Pater Captain de Soya bekreuzigt sich vor dem Altar und gesellt sich zu Pater Sapieha bei der Bahre, wo sich der Kurier aufrichtet. Sapieha ist älter als der größte Teil der Pax-Besatzung – mindestens siebzig Standard –, und das sanfte Halogenlicht spiegelt sich auf seinem kahlen Kopf. De Soya ist stets der Meinung gewesen, dass der Schiffskaplan cholerisch und nicht besonders klug ist, genau wie viele Gemeindepfarrer, die er als Kind kannte.
    »Captain«, begrüßt ihn der Kaplan.
    De Soya nickt und geht näher zu dem Mann auf der Bahre. Pater Vandrisse ist jung – etwa Ende zwanzig Standard – und trägt sein dunkles Haar lang und gelockt, wie es der derzeitigen Mode im Vatikan entspricht.
    Besser gesagt, der Mode, die sich gerade abzeichnete, als de Soya Pacem und den Vatikan zum letzten Mal gesehen hatte: In den zwei Monaten, die diese Mission dauerte, war bereits eine Zeitschuld von drei Jahren aufgelaufen.
    »Pater Vandrisse«, sagt de Soya, »können Sie mich hören?«
    Der junge Mann auf der Pritsche nickt und grunzt. In den ersten paar Minuten nach einer Auferstehung fällt das Sprechen schwer. Hat de Soya jedenfalls gehört.
    »Nun«, sagt der Kaplan, »ich sollte den Körper des anderen besser wieder in die Krippe schaffen.« Er sieht den Captain stirnrunzelnd an, als hätte de Soya persönlich die erfolglose Auferstehung zu verantworten. »Es ist eine Verschwendung, Pater Captain. Es wird Wochen – möglicherweise Monate – dauern, bis Pater Gawronski erfolgreich wieder belebt werden kann.«
    De Soya nickt.
    »Möchten Sie ihn gerne sehen, Pater Captain?«, beharrt der Kaplan. »Der Körper ist... nun... kaum als menschlich zu erkennen. Die inneren Organe sind sichtbar und ziemlich...«
    »Gehen Sie Ihren Pflichten nach, Pater«, sagt de Soya ruhig.
    »Wegtreten.«
    Pater Sapieha runzelt wieder die Stirn, als wollte er etwas erwidern, aber in diesem Augenblick ertönt die Schwerkraftsirene, und beide Männer müssen sich darauf konzentrieren, dass ihre Füße den Boden berühren, während sich das interne Sperrfeld neu justiert. Dann steigt die Schwerkraft langsam auf ein g, während Pater Vandrisse in die Kissen der Pritsche zurücksinkt und der Kaplan zur Tür hinausschlurft. Schon nach nur einem Tag in der Schwerelosigkeit wirkt die Rückkehr der Schwerkraft wie eine Bürde.
    »Pater Vandrisse«, sagt de Soya leise. »Können Sie mich hören?«
    Der junge Mann nickt. Die Schmerzen, die er leidet, sind ihm in den Augen abzulesen. Die Haut des Mannes glänzt, als hätte er soeben die Ölung erhalten – oder als wäre er neu geboren. De Soya findet, dass das Fleisch rosa und roh aussieht, fast verbrannt, und die Kruziform auf der Brust des Kuriers ist überdeutlich zu sehen und doppelt so groß.
    »Wissen Sie, wo Sie sind?«, flüstert de Soya. Oder wer Sie sind?, fügt er im Geiste hinzu. Die Verwirrung nach einer Auferstehung kann Stunden oder Tage andauern. De Soya weiß, dass Kuriere ausgebildet sind, diese Verwirrung zu überwinden, aber wie kann man jemanden für Tod und Auferstehung ausbilden? Ein Tutor de Soyas im Seminar hat es einmal offen und nüchtern ausgesprochen – »Die Zellen erinnern sich ans Sterben und daran, tot zu sein, auch wenn es der Verstand nicht tut.«
    »Ich erinnere mich«, flüstert Pater Vandrisse, dessen Stimme sich so roh anhört, wie seine Haut aussieht. »Sind Sie Captain de Soya?«
    »Pater Captain de Soya. Ja.«
    Vandrisse versucht, sich auf den Ellbogen zu stützen, doch es gelingt ihm nicht. »Näher«, flüstert er, zu schwach, den Kopf vom Kissen zu heben.
    De Soya beugt sich näher zu ihm. Der andere Priester riecht schwach nach Formaldehyd. Nur gewisse Mitglieder der Priesterschaft werden in den tatsächlichen Geheimnissen der Auferstehung unterrichtet, und de Soya hat beschlossen, dass er nicht zu ihnen gehören möchte. Er könnte eine Taufe durchführen und die Kommunion oder die Letzte Ölung verabreichen – als Kommandant eines Raumschiffs hatte er zu Letzterem häufiger Gelegenheit als zu Ersterem –, aber beim Sakrament der Auferstehung war er noch nie zugegen gewesen. Er hat keine Ahnung von den Vorgängen, die, abgesehen vom Wunder der Kruziform, erforderlich sind, um den zerquetschten und vernichteten Körper dieses Mannes, seine verfallenden Nervenzellen und die verstreute Gehirnmasse wieder zu der

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