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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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ins Gesicht. »In Ordnung, wenn ich vorfahre?«, rufe ich.
    A. Bettik drehte den Kopf, sodass unsere maskierten Wangen sich berühren. »M. Endymion, ich bin der Meinung, ich sollte als Erster fahren.
    Ich habe diese Gleitbahn zweimal öfter als Sie genommen, Sir.«
    »Im Dunkeln?«, brülle ich.
    A. Bettik schüttelt unter der Kapuze den Kopf. »Die wenigsten riskieren es heutzutage im Dunkeln, M. Endymion. Aber ich besitze ausgezeichnete Erinnerungen an jede Kurve und Gerade. Ich denke, ich kann behilflich sein, Ihnen die erforderlichen Bremspunkte zu zeigen.«
    Ich zögere nur eine Sekunde. »Na gut«, sage ich. Ich drücke seine Hand durch unsere Handschuhe.
    Mit Nachtsichtbrillen wäre es so leicht wie eine Schlittenfahrt bei Tage – was in meinem Verständnis nicht mit kinderleicht gleichzusetzen ist. Aber ich hatte die Brille verloren, die ich auf meine Farcasterodyssee mitgenommen hatte, und obwohl es Ersatzbrillen im Schiff gab, hatte ich sie dort zurückgelassen. »Bring zwei Hautanzüge und Atmungsgerät mit«, hatte Rachel mir von Aenea ausgerichtet. Sie hätte auch Nachtsichtbrillen erwähnen können.
    Der heutige Ausflug hätte ein einfacher Aufstieg zum Marktplatz von Phari, eine Nacht dort im Gasthaus und eine voll bepackte Rückreise mit George Tsarong, Jigme Norbu und einer langen Reihe von Trägern werden sollen, die das schwere Material zur Baustelle beförderten.
    Vielleicht, denke ich, ist meine Reaktion auf die Nachricht von der Landung des Pax übertrieben. Aber nun ist es zu spät. Selbst wenn wir umkehren würden, wäre der Abstieg an den gespannten Seilen des K’un-Lun-Massivs so mühsam wie diese Schlittenfahrt. Lüge ich mir jedenfalls selbst vor.
    Ich sehe zu, wie A. Bettik seinen kurzen, achtunddreißig Zentimeter langen Eishammer in die Schlinge des Bandes an seinem linken Arm hängt und danach sein richtiges, fünfundsiebzig Zentimeter langes Eisbeil bereitmacht. Ich sitze mit übereinander geschlagenen Beinen auf meinem Schlitten, nehme den Eishammer in die linke Hand und lasse das Beil wie eine Ruderpinne in der rechten hängen. Ich zeige dem Androiden wieder den aufwärts gerichteten Daumen und sehe zu, wie er sich im Mondschein abstößt, einmal schwankt und den Schlitten gekonnt mit dem kurzen Eishammer ausrichtet, wobei Eissplitter fliegen, worauf er über die Kante hinausschwingt und eine Zeit lang verschwindet. Ich warte, bis ein Abstand von rund zehn Metern hergestellt ist – weit genug, dass mich die von ihm aufgewirbelte Eisfontäne nicht trifft, nahe genug, dass ich ihn im orangeroten Licht des Orakels sehen kann –, dann stoße ich mich selbst über den Rand.
    Zwanzig Kilometer. Bei einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von einhundertundzwanzig Klicks pro Stunde sollten wir die Strecke in zehn Minuten zurücklegen. Zehn eisigen Minuten, in denen das Adrenalin durch meine Adern schießen, Brechreiz mir die Kehle abschnüren, mein Herz vor Angst jagen wird, Minuten, in denen es heißt: Reagiere innerhalb von Mikrosekunden, oder du bist tot.
    A. Bettik ist brillant. Er geht jede Wendung perfekt an und geht so in die Steilkurven, dass sein Apogäum – und wenige Sekunden später meines – exakt an der Kante des Eiswalls liegt und er mit genau der richtigen Geschwindigkeit für die nächste Gerade aus der Kurve herauskommt; dann knallt und hoppelt er so schnell die lange Eisrampe hinunter, dass seine Gestalt verschwimmt; das Pochen pflanzt sich durch mein Steißbein und die Wirbelsäule fort, sodass meine Sicht verwackelt, doppelt, dreifach überlagert und mein Kopf vor Schmerzen pocht, dann verschleiert mir die Fontäne der Eissplitter den Blick, die im Mondlicht Heiligenscheine bilden, so hell wie die Sterne am Himmel, die, ohne zu funkeln, über uns zittern – die gleißenden Sterne, die selbst dem Glanz des Orakels und dem blitzenden Licht der kreisenden Asteroiden Konkurrenz machen –, und dann bremsen wir scharf und schlagen heftig auf und schießen wieder in die Höhe, neigen uns in eine scharfe Linkskurve, in der es mir den Atem verschlägt, gleiten in eine noch schärfere Rechtskurve und sausen und fliegen danach einen derart steilen Hang hinab, dass es den Anschein hat, als würden der Schlitten und ich im freien Fall abwärts rasen. Einen Moment schaue ich senkrecht auf die Phosgenwolken im Mondschein hinunter – im verfälschenden Mondlicht sehen sie grünlich wie Senfgas aus, und dann rattern wir beide durch eine Folge von Spiralen,

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