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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Hausbauer heimsuchen, wenn sie ihr Reich stören; Tsen, rote Geister, die in Felsen hausen; Gyelpo, die Geister toter Könige, allesamt in fahle Rüstungen gekleidet; Dud, Geister, die so bösartig sind, dass sie sich nur von Menschenfleisch ernähren und schwarze Käferpanzer tragen; weibliche Mamo, Gottheiten, die so heimtückisch sind wie unsichtbare Strömungen; Matrika, Zauberinnen der Grabstätten und Scheiterhaufen, die man zuerst an einem Hauch des Aasgestanks ihres Atems erkennt; Grahas, planetare Götter, die Epilepsie und andere Krankheiten verursachen, bei denen man zuckend um sich schlägt; Nodjin, die Hüter des Reichtums in der Erde – der Tod von Diamantenschürfern –, und ein Dutzend weiterer nächtlicher Kreaturen, zähnefletschender Kreaturen, krallenbewehrter Kreaturen und tödlicher Kreaturen. Lhomo und andere haben mir die Geschichten oft und gut erzählt. Ich betrachte die weißen Gesichter, die das Shrike und die Nemes-Kreaturen erschrocken ansehen, und denke: Für diese Menschen wird die Schilderung dieser Nacht nicht so außergewöhnlich sein.
    »Der Dämon kann sie nicht alle drei besiegen«, sagt Kardinal Mustafa und spricht das Wort »Dämon« aus, während ich noch daran denke. Mir ist klar, dass er vom Shrike spricht.
    Aenea schenkt der Bemerkung keine Beachtung. »Es wird Ihre Kruziform zuerst ernten«, sagt sie leise. »Ich kann es nicht daran hindern, das zu tun.«
    Kardinal Mustafa reißt den Kopf zurück, als wäre er geschlagen worden.
    Sein blasses Antlitz wird sichtlich blasser. Die Klongeschwister greifen ein Zeichen von Rhadamanth Nemes auf und kauern sich zusammen, als würden sie Energie für eine schreckliche Verwandlung sammeln. Nemes hat ihren schwarzen Blick auf Aenea gerichtet; die Kreatur lächelt jetzt so breit, dass ihre hintersten Zähne zu sehen sind.
    »Halt!«, schreit Kardinal Mustafa, dessen Aufschrei vom Oberlicht und dem Boden widerhallt. Die großen Hörner verstummen. Partygäste klammern sich in einem Rascheln von Seide aneinander. Nemes wirft dem Kardinal einen Blick voll bösartiger Abscheu und fast so etwas wie Trotz zu.
    »Halt!«, schreit der heilige Mann des Pax erneut, und mir wird klar, dass er zuallererst seine eigenen Kreaturen meint. »Ich beschwöre die Macht von Albedo und dem Core, durch die Macht der Drei Elemente befehle ich euch!« Der letzte verzweifelte Aufschrei hat den Klang eines gebrüllten Exorzismus, eines profunden Rituals, aber selbst mir ist klar, dass es weder katholisch noch christlich ist. Nicht das Shrike wird hier unter den eisernen Griff einer zauberischen Kontrolle gezwungen; es sind seine eigenen Dämonen.
    Nemes und ihre Geschwister weichen wie an unsichtbaren Schnüren gezogen auf dem Parkettboden zurück. Der Klonmann und die Klonfrau gehen um uns herum, bis sie zusammen mit Nemes vor Mustafa stehen.
    Der Kardinal lächelt, aber es ist eine ängstliche Geste. »Meine Schoß-
    tierchen werden nicht losgelassen werden, bevor wir noch einmal geredet haben. Ich gebe dir mein Wort als Fürst der Kirche, unheiliges Kind. Habe ich dein Wort, dass dieser« – er zeigt auf das klingenbewehrte Shrike in seinen Samtfetzen – »dieser Dämon mich bis dahin nicht verfolgen wird?«
    Aenea wirkt so ruhig wie während des ganzen Vorfalls. »Ich kontrolliere es nicht«, sagt sie. »Ihre einzige Garantie auf Unversehrtheit besteht darin, diese Welt friedlich zu verlassen.«
    Der Kardinal betrachtet das Shrike. Der Mann scheint bereit, die Flucht zu ergreifen, sollte die hoch gewachsene Erscheinung auch nur die Klinge eines Fingers bewegen. Nemes und ihre Brut stehen weiter zwischen ihm und dem Shrike. »Welche Garantie habe ich«, sagt er, »dass das Ding mir nicht ins All folgt... oder nach Pacem?«
    »Keine«, sagt Aenea.
    Der Großinquisitor zeigt mit einem langen Finger auf meine Freundin.
    »Wir haben Geschäfte hier zu erledigen, die nichts mit dir zu tun haben«, sagt er schneidend, »aber du wirst diese Welt niemals verlassen. Ich schwöre es dir bei den Eingeweiden Christi.«
    Aenea erwidert seinen Blick und sagt nichts.
    Mustafa wendet sich ab und geht, seine rote Robe raschelt, seine Schuhe schaben auf dem polierten Boden. Die Nemes-Kreaturen folgen ihm und gehen die ganze Strecke rückwärts; der männliche und der weibliche Klon behalten das Shrike im Auge, Nemes durchbohrt Aenea mit ihrem Blick.
    Sie gehen durch den Vorhang zum Privatportal des Dalai Lama und sind verschwunden.
    Das Shrike bleibt reglos, wo es ist,

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