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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Zukünfte endeten wahrscheinlich mit ihrem Tod. Vielleicht hatte sie nicht gewusst, dass ich nicht gleichzeitig hingerichtet werden würde. Aber andererseits hatte sie mich gebeten, ihre Asche auf der Alten Erde zu zerstreuen... was voraussetzte, dass ich überlebte. Vielleicht hatte sie gedacht, es sei zu viel verlangt – mich zu bitten, dass ich ihr Kind suchen und, während es heranwuchs, in jeder erdenklichen Weise mithelfen sollte, es in einem Universum voll scharfer Kanten zu beschützen.
    Ich merkte, dass ich weinte – nicht leise, sondern laut und abgehackt schluchzend. Ich weinte zum ersten Mal seit Aeneas Tod so, und seltsamerweise nicht vorwiegend aus Trauer darüber, dass Aenea nicht mehr war, sondern beim Gedanken an die zweite Chance, eine Kinderhand zu halten, wie ich einst Aeneas Hand gehalten hatte, als sie zwölf Standardjahre alt war, und das Kind meiner Liebsten zu beschützen, wie ich einst meine Liebste selbst beschützt hatte.
    Und versagt hatte. Das war mein eigenes Urteil.
    Ja, am Ende war es mir nicht gelungen, Aenea zu beschützen, aber sie hatte gewusst, dass es mir nicht gelingen würde, so wenig wie ihr, den Pax zu stürzen. Sie hatte mich geliebt und das Leben geliebt und die ganze Zeit gewusst, dass wir scheitern würden.
    Es gab keinen Grund, weshalb ich bei diesem anderen Kind scheitern sollte. Vielleicht würde der Beobachter begrüßen, dass ich half, dass ich diesem mit ziemlicher Sicherheit übermenschlichen kleinen Jungen oder Mädchen die Erfahrung des Menschseins nahe brachte. Ich konnte mit Sicherheit behaupten, dass niemand Aenea so gut gekannt hatte wie ich. Das wäre wichtig für die Erziehung des neuen Kindes – des neuen Messias. Ich würde die Erzählung mitbringen, die nutzlos in meinem Textschiefer abgespeichert war, und dem Kind Auszüge davon mitteilen, wenn es älter wurde, und ihm eines Tages alles übergeben.
    Ich nahm Schiefer und Stift und ging in meiner Schrödinger-Zelle auf und ab. Da war die Kleinigkeit meiner unvermeidlichen Hinrichtung.
    Niemand würde kommen, um mich zu retten. Dafür sorgte die explosive Hülle des Eis, und wenn jemand eine Möglichkeit gefunden hätte, dieses Problem zu umgehen, wäre er inzwischen hier. Es war höchst unwahrscheinlich und reines Glück, dass ich so lange überlebt hatte, wo doch alle paar Stunden ein Rendezvous mit dem Tod möglich war, wenn der Detektor nach einem emittierten Teilchen schnupperte. Ich hatte die Gesetze der Quantenmechanik bis jetzt geschlagen, aber dieses Glück konnte nicht von Dauer sein.
    Ich blieb stehen.
    Aeneas Lehre, wie unsere Rasse mit der Bindenden Leere umgehen sollte, umfasste vier Schritte. Noch bevor ich in meine Zelle gesperrt worden war, hatte ich die Sprache der Toten und der Lebenden gelernt, wenn nicht gemeistert. Ich hatte bewiesen, als ich meine Erzählung schrieb, dass ich mir Zugang zur Leere und zumindest den Erinnerungen noch Lebender verschaffen konnte, auch wenn die Hülle durch Interferenz irgendwie meine Fähigkeit störte, herauszufinden, was gerade mit Freunden wie Pater de Soya oder Rachel oder Lhomo oder Martin Silenus geschah.
    Aber gab es eine Interferenz? Vielleicht hatte ich mich unbewusst dagegen gesträubt, mit der Welt der Lebenden Verbindung aufzunehmen – jedenfalls soweit es um etwas anderes ging als Erinnerungen an Aenea –, weil ich wusste, dass ich nun die Welt der Toten bewohnte.
    Jetzt nicht mehr. Ich wollte hier raus.
    Es gab zwei weitere Schritte, die Aenea in ihren Lehren erwähnt, aber nie ganz erklärt hatte – die Sphärenmusik zu hören und den ersten Schritt zu tun.
    Nun verstand ich beide Konzepte. Ohne Aenea ‘casten zu sehen, und ohne den gewaltigen Schub des Verstehens, den ich durch das schreckliche Miterleben ihres Todes verspürt hatte, hätte ich es nicht verstanden. Aber jetzt verstand ich es.
    Ich hatte mir vorgestellt, es wäre eine Art von übersinnlichem Radioteleskop-Trick, die Sphärenmusik zu hören – das Prasseln und Knistern der Sterne, wie es Radioteleskope seit elfhundert Jahren oder länger auffingen, wirklich zu hören. Aber mir wurde klar, dass Aenea das ganz und gar nicht gemeint hatte. Sie horchte nicht nach den Sternen, sondern nach der Resonanz der Leute – Menschen und andere –, die im Umkreis dieser Sterne lebten. Sie hatte die Leere als eine Art Leuchtsignal benutzt, bevor sie sich selbst gefarcastet hatte.
    Der größte Teil ihres persönlichen ‘castens hatte sich meinem Verständnis entzogen. Die

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