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Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung

Titel: Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Empathie gewesen, wenn irgendein Titel zu ihr passte.
    Wer konnte der Vater des Kindes sein?
    Die Antwort traf mich wie ein Donnerschlag. Einen Moment war ich in der Schrödinger-Katzenkiste so erschüttert von der zwingenden Logik, dass ich überzeugt war, der Teilchendetektor, der periodisch in der Gefängnismauer aus gefrorener Energie tickte, hätte das emittierte Teilchen genau im richtigen Augenblick registriert und das Blausäuregas freigesetzt.
    Welche Ironie lag doch darin, das Rätsel endlich zu lösen und im selben Augenblick zu sterben.
    Aber es war kein Gift in der Luft, es lag nur an meiner wachsenden Überzeugung in dieser Angelegenheit und dem noch stärkeren Impuls, etwas zu unternehmen.
    Es gab noch einen Spieler in dem kosmischen Schachspiel, das Aenea und die anderen seit nunmehr dreihundert Standardjahren spielten: diesen fast legendären Beobachter der außerirdischen intelligenten Rassen, den Aenea kurz in verschiedenen Zusammenhängen erwähnt hatte. Die Löwen und Tiger und Bären, die Wesen, die so mächtig waren, dass sie die Erde in die Kleine Magellansche Wolke entführen konnten, statt zuzulassen, dass sie zerstört wurde, hatten – so Aenea – in den vergangenen Jahrhunderten einen oder mehrere Beobachter zu uns geschickt; Wesen, die, wenn ich Aeneas Worte richtig interpretierte, menschliche Gestalt angenommen hatten und die ganze Zeit unter uns gewesen waren. In der Ära des Pax, wo die virtuelle Unsterblichkeit der Kruziform so weit verbreitet war, wäre das einfach gewesen. Und es gab gewiss noch andere, die wie der steinalte Dichter Martin Silenus durch eine Verbindung von Medizin des Weltennetzes, Poulsen-Behandlungen und schierer Willenskraft am Leben geblieben waren.
    Martin Silenus war alt, das stand fest, möglicherweise der älteste Mensch in der Galaxis – aber er war nicht der Beobachter, auch das stand fest. Der Verfasser der Cantos war zu voreingenommen, zu aktiv, zu sichtbar in der Öffentlichkeit, zu obszön und ganz generell einfach zu streitsüchtig, um ein nüchterner Beobachter zu sein, der außerirdische Rassen repräsentierte, die so mächtig waren, dass sie uns im Handumdrehen vernichten konnten.
    Hoffte ich jedenfalls.
    Aber irgendwo – wahrscheinlich an einem Ort, wo ich nie gewesen war und den ich mir nicht vorstellen konnte – hatte der Beobachter in Menschengestalt gewartet und beobachtet. Es schien logisch zu sein, dass Aenea sich veranlasst gesehen hatte – aufgrund von Prophezeihungen und der Notwendigkeit ungehinderter menschlicher Evolution, die sie gelehrt und an die sie geglaubt hatte –, von ihrer Odyssee wegzu’casten zu jener fernen Welt, wo der Beobachter wartete, um ihn zu treffen, sich mit ihm zu paaren und das Kind in unser Universum zu bringen. Auf diese Weise würden der Core, die Menschheit und die fernen Anderen ausgesöhnt werden.
    Die Vorstellung war beunruhigend und definitiv beängstigend für mich, aber auch in einer Art und Weise aufregend wie nichts mehr seit Aeneas Tod.
    Ich kannte Aenea. Ihr Kind würde ein menschliches Kind sein – voll Leben und Gelächter und einer Liebe zu allem, von der Natur bis hin zu alten Holodramen. Ich hatte nie begriffen, wie Aenea ihr Kind zurücklassen konnte, aber nun wurde mir klar, dass sie keine andere Wahl gehabt hatte.
    Sie kannte das schreckliche Schicksal, das sie im Kerker des Castel Sant’ Angelo erwartete. Sie wusste, sie würde durch Folter und Feuer sterben, von unmenschlichen Feinden und den Nemes-Monstern umgeben. Sie hatte es schon vor ihrer Geburt gewusst.
    Bei dem Gedanken bekam ich weiche Knie. Wie hatte meine teure Freundin so oft mit mir lachen, so glücklich und optimistisch jeden neuen Tag beginnen, das Leben so durch und durch bejahen können, wenn sie wusste, dass jeder Tag, der verstrich, sie ihrem schrecklichen Tod näherbrachte? Ich schüttelte den Kopf angesichts der Willenskraft, die dazu erforderlich sein musste. Ich besaß sie nicht – so viel wusste ich. Aenea dagegen schon.
    Aber sie hatte das Kind nicht mitnehmen können, eben weil sie wusste, wann und wie es zu ihrem schrecklichen Ende kommen würde. Demnach zog der Vater wahrscheinlich das Kind auf. Der Andere in Menschengestalt. Der Beobachter.
    Das fand ich noch beunruhigender als meine früheren Offenbarungen.
    Und auf einmal wusste ich noch etwas mit Sicherheit: Aenea hätte gewollt, dass ich eine Rolle im Leben ihres Kindes spiele, wenn sie es für möglich gehalten hätte. Ihre Blicke in mögliche

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