Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
»bunte geometrische Figuren«, aber das kann die komplexe Realität nur unzureichend beschreiben: fraktalgenerierte Formen pulsierten und wanden sich durch das, was vormals die Leere gewesen war. Spiralförmige Gebilde mit eigener Subgeometrie krümmten sich in sich selbst zurück und spien kleinere Gebilde in denselben gleißenden kobaltfarbenen und blutroten Tönen aus. Gelbe eiförmige Umrisse wurden zu Explosionen von Licht mit der Präzision von Pulsaren. Malven- und indigofarbene Doppelspiralen, die wie die DNS des Universums aussahen, schraubten sich an uns vorbei. Ich konnte diese Farben hören wie fernen Donner, wie das Tosen einer Brandung gleich hinter dem Horizont.
Mir wurde bewusst, dass mein Unterkiefer herunterhing. Ich wandte mich vom Geländer ab und versuchte, mich auf das Mädchen und den Androiden zu konzentrieren. Das Farbenspiel des fraktalen Universums huschte über sie hinweg. Aenea spielte immer noch leise, und ihre Finger glitten über die Tasten, während sie mich und das fraktale Firmament hinter mir ansah.
»Vielleicht sollten wir hineingehen«, sagte ich und hörte jedes Wort in meiner eigenen Stimme in der Luft hängen wie Eiszapfen an einem Ast.
»Faszinierend«, sagte A. Bettik, der den Tunnel der Formen um uns herum mit verschränkten Armen betrachtete. Seine Haut war wieder blau.
Aenea hörte auf zu spielen. Vielleicht spürte sie mein Schwindelgefühl und meine Angst zum ersten Mal, denn sie stand auf, nahm meine Hand und führte mich in das Schiff hinein. Der Balkon wurde hinter uns eingezogen. Die Hülle stabilisierte sich. Ich konnte wieder atmen.
»Wir haben sechs Tage«, sagte das Mädchen. Wir saßen in der Holonische, weil die Kissen dort so bequem waren. Wir hatten gegessen, und A. Bettik hatte uns kalte Fruchtsäfte aus den Fächern des Kühlschranks geholt.
Meine Hände zitterten nur ganz leicht, während wir beisammensaßen und uns unterhielten. »Sechs Tage, neun Stunden und siebenundzwanzig Minuten«, sagte das Schiff.
Aenea sah zum Schott auf. »Schiff, du kannst eine Weile schweigen, es sei denn, du hast etwas Wichtiges zu sagen, oder wir haben eine Frage an dich.«
»Ja, M.... Aenea«, sagte das Schiff.
»Sechs Tage«, wiederholte das Mädchen. »Wir müssen uns bereit machen.«
Ich trank meinen Saft. »Bereit wofür?«, fragte ich.
»Ich glaube, dass sie uns dort erwarten. Wir müssen uns eine Möglichkeit überlegen, wie wir durch das Parvati-System und weiter nach Renaissance Vector kommen, ohne dass sie uns aufhalten können.«
Ich betrachtete das Kind. Aenea sah müde aus. Ihr Haar war noch strähnig von der Dusche. Da die Cantos so oft von Derjenigen Die Lehrt berichteten, hatte ich jemand Außergewöhnliches erwartet – eine junge Erlöserin in Toga, ein Wunderkind, das rätselhafte Sätze von sich gab –, aber das einzige Außergewöhnliche an dieser jungen Person war die übermächtige Klarheit ihrer Augen. »Wie können sie uns erwarten?«, sagte ich. »Die Fatline funktioniert seit Jahrhunderten nicht mehr. Die Pax-Schiffe hinter uns können keinen Vorausruf durchgeben wie zu deiner Zeit.«
Aenea schüttelte den Kopf. »Nein, die Fatline ist schon vor meiner Geburt zusammengebrochen. Vergiss nicht, meine Mutter war vor dem Fall schwanger mit mir.« Sie sah A. Bettik an. Der Androide trank Saft, hatte aber beschlossen, sich nicht zu setzen. »Tut mir Leid, dass ich mich nicht an dich erinnern kann. Wie ich schon sagte, ich habe die Stadt des Dichters besucht und dachte, ich hätte alle Androiden kennen gelernt.«
Er neigte ein wenig den Kopf. »Es ist nicht ungewöhnlich, dass du mich nicht kennst, M. Aenea. Ich hatte die Stadt des Dichters schon vor der Pilgerfahrt deiner Mutter verlassen. Meine Geschwister und ich arbeiteten damals am Hoolie und auf dem Grasmeer. Dann, nach dem Fall... quittierten wir den Dienst und lebten allein an den unterschiedlichsten Orten.«
»Ich verstehe«, sagte sie. »Nach dem Fall herrschte eine Menge Wahnsinn. Ich erinnere mich. Westlich des Bridle Range wären Androiden in Gefahr gewesen.«
Ich bemerkte ihren Blick. »Nein, im Ernst, wie könnte uns jemand bei Parvati erwarten? Sie können uns nicht überholen – wir haben als erste Quantengeschwindigkeit erreicht –, also können sie bestenfalls eine oder zwei Stunden nach uns ins Parvati-System überwechseln.«
»Ich weiß«, sagte Aenea, »aber trotzdem glaube ich irgendwie, dass sie auf uns warten. Wir müssen uns überlegen, wie dieses
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