Endymion - Pforten der Zeit & Die Auferstehung
Pacem.
»Herrje«, sagte sie, als ich eine Pause machte. »Es hat sich wirklich nicht viel verändert. Hört sich an, als würde die Technologie irgendwie stagnieren... sie hat immer noch nicht wieder den Standard wie zu Zeiten der Hegemonie erreicht.«
»Nun«, sagte ich, »dafür ist teilweise der Pax verantwortlich. Die Kirche verbietet denkende Maschinen – richtige KIs – und legt Wert auf menschliche und spirituelle Entwicklung, statt technologischen Fortschritt.«
Aenea nickte. »Klar, aber man sollte meinen, dass sie es in zweieinhalb Jahrhunderten geschafft haben müssten, wieder die Stufe des alten Weltennetzes zu erreichen. Ich meine, das ist ja wie in grauer Vorzeit, oder so.«
Ich lächelte, als mir klar wurde, dass ich mich getroffen fühlte – ich ärgerte mich über die Kritik an der Gesellschaft des Pax, der gerade ich selbst mich ja eben bewusst verweigerte. »Eigentlich nicht«, sagte ich.
»Vergiss nicht, die größte Veränderung ist die Gabe der Unsterblichkeit.
Deswegen wird das Bevölkerungswachstum sorgfältig kontrolliert, und darum besteht weniger Neigung, äußerlich etwas zu verändern. Die meisten Auferstehungschristen gehen davon aus, dass sie auf lange Sicht in diesem Leben sind – mindestens viele Jahrhunderte, mit etwas Glück Jahrtausende –, darum haben sie es nicht so eilig mit Veränderungen.«
Aenea sah mich eindringlich an. »Also funktioniert diese Auferstehungskiste mit den Kruziformen wirklich?«
»O ja.«
»Und warum hast du dann nicht... das Kreuz akzeptiert?«
Zum dritten Mal innerhalb der letzten Tage war ich um eine Erklärung verlegen. Ich zuckte die Achseln. »Perversität, schätze ich. Ich bin störrisch. Außerdem wollen Leute wie ich nichts davon wissen, solange sie jung sind – da glauben wir schließlich alle, dass wir ewig leben, richtig? –
und konvertieren erst im Alter.«
»Du auch?« Ihre dunklen Augen blickten stechend.
Ich unterdrückte ein neuerliches Achselzucken, aber die Geste meiner Hand sagte dasselbe aus. »Ich weiß nicht«, sagte ich. Ich hatte ihr nichts von meiner »Hinrichtung« und anschließenden Auferstehung bei Martin Silenus gesagt. »Ich weiß nicht«, wiederholte ich.
A. Bettik betrat den Kreis der Holonische. »Ich dachte, ich sollte erwähnen, dass wir eine ausreichende Menge Eiskrem im Schiff verstaut haben. Verschiedene Geschmacksrichtungen. Könnte ich einen von Ihnen dafür begeistern?«
Ich formulierte einen Satz, der den Androiden daran erinnern sollte, dass er auf dieser Reise kein Diener wäre, aber ehe ich ihn aussprechen konnte, rief Aenea: »Ja! Schokolade!«
A. Bettik nickte, lächelte und wandte sich in meine Richtung. »M. Endymion?«
Es war ein langer Tag gewesen; Reisen mit der Hawking-Matte durch das Labyrinth, Sandstürme, Gemetzel – sie behauptete, es wäre das Shrike gewesen! – und mein erster Ausflug ins All. Ein ziemlich voll gepackter Tag.
»Schokolade«, sagte ich. »Ja. Eindeutig Schokolade.«
20
Die überlebenden Mitglieder von Sergeant Gregorius’ Trupp sind Corporal Bassin Kee und Lancer Ahranwhal Gaspa K. T. Rettig. Kee ist ein kleinwüchsiger Mann, kompakt, geistig rege und mit schnellen Reflexen ausgestattet, wogegen Rettig groß ist – fast so groß wie der Riese Gregorius
–, dabei aber schlank, ganz im Gegensatz zu dem beleibten Sergeanten.
Rettig stammt aus den Lambert Ring Territorien und hat die Strahlennarben, den Knochenbau und den Hang zur Unabhängigkeit, die so typisch für die ‘steroider sind. De Soya hat erfahren, dass der Mann keinen Fuß auf eine ausgewachsene Welt mit voller Schwerkraft gesetzt hatte, bevor er dreiundzwanzig Standardjahre alt wurde. RNS-Medikamente und der strenge militärische Drill des Pax haben den Soldaten jedoch so gestählt, dass er auf jeder Welt kämpfen kann. A. G. K. T. Rettig, dessen Verschlossenheit an Stummheit grenzt, hört gut zu, führt Befehle aus und – wie der Kampf auf Hyperion gezeigt hat – überlebt gut.
Corporal Kee ist gesprächig, das krasse Gegenstück zu Rettig. Am ersten Tag ihrer Diskussionen beweisen Kees Fragen trotz der benebelnden Nachwirkungen der Auferstehung Einsicht und Klarheit.
Alle vier Männer sind von dem Erlebnis des Todes stark mitgenommen.
De Soya versucht sie davon zu überzeugen, dass es mit der Zeit leichter wird, aber sein zitternder Körper und sein erschütterter Verstand strafen diese Behauptung Lügen. Hier, wo keine Beratung und keine Therapie und kein verständnisvoller
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