Endymion Spring - Die Macht des geheimen Buches
aufflattern: Es war der Applaus am Ende einer Vorlesung, die irgendjemand im College gerade gehalten hatte.
Abrupt wandte sich Blake seiner Schwester zu. »Halt mal. Willst du sagen, dass du diese Worte hier sehen kannst?«
»Ja. Aber es ist ja auch nicht Endymion Spring, oder?«, sagte sie unsicher und mit angstgeweiteten Augen.
»Nein, ich glaube nicht.« Blake sah wieder auf die schwarze Seite, deren gespenstische Nachricht ihm einen neuen Schauer über den Rücken jagte. »Vielleicht spricht die Person im Schatten irgendwie zu uns. Vielleicht kann sie uns jetzt im Augenblick gerade sehen.«
»Aber das ist unmöglich«, sagte Duck. »Niemand weiß, dass ich das Buch habe. Ich hab's keinem Menschen erzählt, ich schwöre!«
»Jedenfalls weiß die Person im Schatten, dass wir es jetzt haben«, sagte er. »Und ich wette, er oder sie wird demnächst alles versuchen, um es uns abzunehmen.«
»Was sollen wir tun?«, jammerte Duck, der es allmählich mulmig wurde.
Blake wurde ganz ruhig. »Ich weiß es nicht.«
»Wir könnten es Professor Jolyon erzählen«, schlug sie vor. »Vielleicht kann er uns helfen.«
Blake zweifelte. »Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
»Warum nicht?«
»Weil dort oben sein Büro ist«, sagte er und zeigte auf den Turm der Alten Bibliothek, der hoch über ihnen aufragte. In den noch in der Sonne glänzenden Scheiben der oberen Fenster spiegelten sich die dunklen Unwetterwolken, die langsam näher kamen. »Er kann uns zum Beispiel jetzt gerade beobachten.«
Duck schluckte.
»Ich weiß wirklich nicht«, sagte er, »wem wir vertrauen können.«
Die Buchseite vor ihm flatterte auf.
»He, warte mal!«, rief Duck. Sie fuhr mit ihrem rosigen Finger über das Papier und bog eine der Ecken um.
Blake fürchtete, sie würde versuchen, das Blatt mit der gefährlichen Nachricht herauszureißen, und hob warnend die Hand.
»Nein, sieh doch mal die Ecke hier«, sagte sie fasziniert. »Da fehlt immer noch ein Teilchen von dem Buch.« Sie schob vorsichtig den Fingernagel unter die Papierkante, und da sah er, was sie meinte: Das halbmondförmige Zeichen war entstanden, als jemand eine Ecke der Seite abgerissen hatte. Eine kleine Verletzung, die das makellose unbeschädigte Blatt darunter sichtbar machte.
»Wie ist das passiert?«, fragte er bestürzt. »Warst du das?«
Duck war beleidigt. »Natürlich nicht! Es ist eine Seite aus dem Bogen, den uns Psalmanazar geschenkt hat. Vielleicht hat er ihn mit einem Fluch belegt - oder er hat das Teilchen für sich behalten.« Dann ging die Fantasie mit ihr durch. »Vielleicht kann er damit irgendwie hinter uns herspionieren!«
Blake rümpfte die Nase. »Ausgeschlossen«, sagte er. »So was geht mit Büchern nicht.«
»Jetzt hör aber auf!«, rief sie. »Es ist doch nicht irgendein Buch, oder? Vielleicht hat das Papier noch ganz andere Fähigkeiten. Solche, von denen wir bis jetzt keinen blassen Schimmer haben.«
Sie versank eine Weile in Grübeln. Dann blickte sie auf.
»Vielleicht kann die Person im Schatten sehen , was wir machen -und zwar immer dann, wenn wir das Buch aufschlagen!«, sprudelte sie heraus. »Vielleicht ist das Eckchen schon vor langer Zeit von der schwarzen Seite abgerissen worden, und die Person im Schatten benutzt es sozusagen wie ein Auge in das Buch - und hat immerzu nur darauf gewartet, dass es einer findet. Vielleicht hast du, ohne es zu wissen, irgendetwas mitgeteilt oder ausgestrahlt, als du Endymion Spring entdeckt hast - und deshalb bist du bis in die Bibliothek verfolgt worden ...«
Duck wollte diese Version vertiefen, da bewegte sich langsam eine schattenhafte Gestalt über den Rasen auf sie zu. Bevor Blake aufschaute, konnte er das Buch gerade noch in seinem Rucksack verstecken.
Paula Richards blickte ärgerlich auf sie herab.
»Da seid ihr!«, polterte sie los. »Und ich suche euch überall. Ihr seid schlimmer als der Kater!«
Ungeduldig klatschte sie in die Hände. Duck und Blake rappelten sich auf und wischten sich die Grasflecken von Knien und Hosenböden. »Ich habe wirklich keine Zeit für solche Spielchen. Ich habe eurer Mutter versprochen, dass ich auf euch achte.«
Wie Verbrecher folgten ihr die beiden in die Bibliothek.
Neben dem Tisch, an dem Blake vorher gearbeitet hatte, stand eine hoch gewachsene, vertraute Gestalt: Jolyon.
Blake erstarrte.
Argwöhnisch musterte er den Professor von dem zerknitterten Gesicht bis zu den langen, tintenverschmierten Fingern, die gerade nach dem Buch
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