Engel beißt man nicht! (German Edition)
überzeugenden Worte wegen nachgegeben hatte, sondern dass er wieder einmal ausgetrickst worden war. In diesem Fall war Lucy von Anfang an auf kein Tode s urteil aus gewesen, sondern wollte lediglich die Nerven aller Beteiligten strapazieren und dazu beitragen, dass sich der knapp zum Tode Verurteilte Gedanken machen würde, die sein weiteres L e ben entweder in die untere oder in die obere Richtung beeinflussen würden.
Gottes Plan war unergründlich und Himmel und Hölle arbeiteten dann und wann sogar erfolgreich zusammen, selbst wenn ihre Unterhändler manchmal nicht ausreichend info r miert waren.
Wieder zu H ause in seiner Münchner Wohnung, die er behaglich und stilvoll eingerichtet hatte, setzte er sich mit einem Becher Kaffee und der Tageszeitung auf das Sofa. Seine weiße Katze, die er in liebevoller Akzeptanz der Polarität Azrael ( geschaffen als dunkle Seite der Schöpfung ) nannte, kuschelte sich an seine Seite und verfiel augenblicklich in genießerisches Schnu r ren. Gabriel lehnte sich zurück, kraulte die Katze und las einen Artikel über einen kaliforn i schen Wirbelsturm, der viele Küstenbewohner von diesem Dasein abberufen hatte und ein Bild der Verwüstung hinterließ, das er selbst einer tobenden Lucy nicht zutraute, als plötzlich die Buc h staben des Textes zu flimmern anfingen und sich vor seinen Augen zu einem neuen Sinn zusammenset z ten.
„ … glaubt niemand, dass in den zerstörten Häusern noch lebende Opfer zu … Gabriel, wir beglückwü n schen dich zu deinem letzten Einsatz … d ie Feuerwehr … “
„Danke“, sagte er zu der Zeitung.
Die Worte flimmerten erneut und er empfand diese mühsame Art des Übermittelns neuer R e gieanweisungen als sehr unbefriedigend. „Warte“, rief er entschlossen. „Bitte sprich mit mir, wer immer du auch bist.“
„Entschuldige“, sagte eine klare Stimme, die aus dem abgeschalteten, von einer leicht bläulich schimmernden Aura umgebenen Fernseher kam.
„Ich bin es, Michael.“
Ein Erzengelkollege. Wie beruhigend, dachte Gabriel, der intuitiv schon mit dem Erscheinen der höheren Instanz gerechnet hatte, die meist nur mit unangene h men Aufgaben an ihn herantrat.
„Was führt dich zu mir?“, erkundigte Gabriel sich höflich.
„Äh, eine etwas heikle Angelegenheit, fürchte ich.“
Gabriel stutzte. War eine Flutwelle zu verhindern, oder stürzte ein Komet auf den Plan e ten? „Offenbare dich mir“, flehte Gabriel, der kein Freund spannungssteigernder Pausen war.
„Es ist soweit“, sagte Michael schlicht und Gabriel verschlug es die Sprache.
Immerhin war Michael der „Fürst der himmlischen Heerscharen“, der Führer aller Engel, also eine durchaus ernst zu nehmende Persönlichkeit, die selten zu Scherzen aufgelegt war, wenn man von einer Ansprache durch ein abgeschaltetes Fernsehgerät einmal absah.
Michael, der Verstärker des Lichts, war überall dort anzutreffen, wo Dunkelheit überhand zu nehmen drohte und selbst wenn er nicht direkt helfen konnte, brachte er doch Hoffnung, Gelassenheit und Zuversicht. Bei ihm landeten alle Gebete, denn das universelle Annahmebüro war viel beschäftigt und konnte sich nicht um alles kümmern. Unter Berücksichtigung von Urs a che und Wirkung, sowie der Nachhaltigkeit des Gebetes, war er stets bestrebt , die Bestellung pünktlich zu liefern. Somit repräsentierte er den freien Willen, bot Schutz und Befreiung vor dem Unguten, und war daher kein guter Freund Luzifers.
Er erschien stets begleitet von saphirblauem Licht, das mit Gabriels ureigenem, kristal l weißem Leuchten sehr schön kontrastierte. Die Worte Michaels hallten in Gabriel wider und er versank in grübelnde Gedanken.
In Tausenden von Jahren hatte Gabriel die Menschen lieb gewonnen, ging gern in schönen Lan d schaften spazieren und beobachtete die Tierwelt, auch wenn Lucy so manches Mal einen Vogel vor seinen Augen abstürzen ließ oder ein heimliches Liebespaar in einen A meisenhaufen lockte. Er wollte die Welt nicht missen, hatte sich an sie gewöhnt, ebenso an das andere Wesen, das wie er seit Äonen auf dieser Welt wandelte und ihm mit teuflischer Hartn ä ckigkeit Steine in den Weg legte.
Als Erzengel Gabriel nannte man ihn den „Engelsfürst des weißen Lichtes“ und zu seinen Au f gaben gehörte das Hüten der menschlichen sowie vampirischen Gedanken. Verschwenderisch verteilte er die ric h tigen Worte, Eingebungen und Ratschläge für Suchende. In Erfüllung seiner höchsten Aufgabe machte er den
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