Engel der Finsternis (German Edition)
aufgebracht. Balam mahnte sie zur Ruhe und warf Grimbert und Heidrun einen kurzen Blick zu, die sich unruhig im Schlaf auf ihrem Lager herumwälzten.
„Ich will nicht die Hure von Franziskas Ehemann sein! Ich möchte Gräfin werden. Schaff mir meine Stiefschwester vom Hals! Ich hasse sie. Immer steht sie mir im Weg, immer!“ Walburga fauchte wie eine zornige Katze, ohne daran zu denken, mit wem sie sprach.
Balam sah voller Freude den Hass in ihren Augen. „Wie stellst du dir das vor?“, wollte er wissen und tat, als hätte sie einen unerfüllbaren Wunsch an ihn gerichtet. „Ich bin ein Engel des Herrn. Ich bin nicht hier, um den Menschen zu schaden.“
„Aber du hast doch gesagt, du bist gekommen, um mir beizustehen!“
„Gegen das Wilde Heer, nicht gegen deine Schwester!“ Balam sah sie einen Moment schweigend an. „Aber es gibt einen Weg, einen gefährlichen Weg. Es ist jedoch der einzige, der dir offen steht. Dafür musst du das Wilden Heer herbeirufen.“
Walburga sah ihn erschrocken an und flüsterte mit brüchiger Stimme: „Herbeirufen?“
„Ja, du musst sie mit dem Wort der Macht zu dir rufen und mit ihnen einen Pakt schließen. Dann lassen sie nicht nur dich und die deinen in Ruhe, du löst damit auch dein vordringlichstes Problem - Franziska. Normalerweise verlangen sie absoluten Gehorsam als Gegenleistung.“
„Was soll das heißen?“
„Das heißt, dass du sie anbeten und verehren musst wie Göttinnen.“
Walburga bekreuzigte sich hastig. Balam sah es voller Ekel und Wut. Aber er beherrschte sich. Er wusste, dass Walburga weder fromm noch rechtgläubig war. Sie war nur ängstlich und feig.
„Wenn du das tust, bist du auf ewig verdammt. Bietest du ihnen jedoch etwas anderes an, verzichten sie vielleicht darauf.“
„Aber was? Und was hat der Pakt mit den nachtfahrenden Weibern mit Franziska zu tun?“
„Liefere ihnen deine Schwester aus! Als Gegenleistung sollen sie dich, deine Mutter und deinen Stiefvater verschonen. Damit wären alle deine Probleme gelöst. Das Wilde Heer wird dich verschonen und darüber hinaus deine Schwester beseitigen, so dass du die einzige Frau sein wirst, die der Graf begehrt.“
„Ja!“ Walburga war hellauf begeistert von Balams Vorschlag. Sie konnte kaum fassen, dass es so einfach sein sollte. „Sag mir das Wort der Macht, damit ich die Weiber herbeirufen kann!“
Balam nannte ihr die geheime Formel, die keinem Menschen bekannt war. „Aber denke daran, du musst schnell und entschlossen handeln. Zögere nicht! Deine Schwester befindet sich in diesem Moment auf Burg Waldenfels. Wenn es ihr in dieser Nacht gelingt, dem Grafen den Verstand zu rauben, wirst du nie seine Frau werden.“
„Ich werde die Weiber sofort rufen! Du wirst mich doch vor ihnen beschützen?“
Balam verneinte. „Du kennst nun das Wort der Macht und musst es jetzt alleine tun, so verlangt es das Gesetz. Aber fürchte dich nicht. Solange du tust, was ich dir gesagt habe, wird dir nichts geschehen. Liefere ihnen deine Schwester aus und du wirst alles bekommen, was du begehrst.“
„Das werde ich.“ Walburga gab dieses Versprechen nicht nur Balam, sondern vielmehr sich selbst. Wenn sie nur alles tat, wie ihr Schutzengel es erklärt hatte, dann wäre sie schon bald die neue Gräfin und ihre verhasste Stiefschwester los.
8. Kapitel
Franzi stand einen Moment reglos vor dem feisten Küchenchef und sah ihn wortlos an. Sie spürte Dietmars Hass, seine feindseligen Blicke trafen sie wie Faustschläge mitten ins Gesicht. Er war ein Günstling der Gräfin gewesen, denn sie hatte ihn mit nach Waldenfels gebracht, als sie Konrad geheiratet hatte. Ihr Tod musste den kurzbeinigen Mann mit den roten, massigen Armen und dem mächtigen Doppelkinn sicher schwer getroffen haben. Franzi wollte ihm versichern, dass es ihr ebenso erging wie ihm. Obwohl die Gräfin immer nur Hass für sie empfunden hatte. Doch er hätte ihr wohl nicht geglaubt, so wenig wie jeder andere in der großen, von Dampfschwaden erfüllten Küche.
Die Mägde, Knechte und Küchenjungen empfanden ebenso wie der Koch nichts als Abscheu für den Grafen, der sich mit Walburga im Bett vergnügt hatte, während nebenan seine Frau mit dem Tode rang. Und nun, da ihr Leichnam in der Kapelle aufgebahrt lag, wollte er sich den Bauch vollschlagen und betrinken.
Normalerweise war es üblich, im Angesicht des Todes zu fasten und zu beten. Konrad dachte nicht daran. Nicht einmal der Vorfall in der Kapelle konnte ihn von seinem
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