Engel der Finsternis (German Edition)
gewesen war. Katharina, die Frau Konrads, die bei der Geburt ihres Sohnes gestorben war.
„Hat er dir etwas angetan?“, wollte der Kaplan wissen und winkte sie zu sich heran. Franzi schüttelte den Kopf. Allerdings weniger um seine Frage zu verneinen, als vielmehr um auszudrücken, dass sie nicht in die Nähe der toten Gräfin kommen wollte.
Hieronymus interpretierte ihre abwehrende Reaktion jedoch falsch. „Komm zu mir und fürchte dich nicht! Ich war die ganze Nacht hier. Die Gräfin ruht in Frieden. Bald wird sie ihren Frieden in Gott finden. Sie war eine gute Frau. Du darfst den bösen Gerüchten keinen Glauben schenken.“
Wieder schüttelte Franzi den Kopf. „Ich muss Euch etwas sagen“, begann sie und brach unsicher ab. Sie hatte sich, wie Meresin ihr riet, zum Kaplan begeben. Doch in Gegenwart des Leichnams wagte sie nicht, zu tun, was der Engel ihr aufgetragen hatte.
„Sprich! Ist es wegen letzter Nacht? Was ist geschehen?“
Franzi blickte ängstlich zur Gräfin und verschränkte die Arme vor der Brust. Hieronymus glaubte, sie würde frieren und ging zu ihr. Der Kaplan legte den Arm um ihre Schultern und führte sie zu einem der Dreifüße, in denen er auf glühenden Kohlen Kräuter verbrannte. Seit Stunden schon räucherte er die Kapelle, um das Wilde Heer fern zu halten.
Der schwere, süßliche Geruch verursachte Franziska Kopfschmerzen. Sie hustete und atmete tief ein, was das Problem nur noch verschlimmerte. Ihr war noch immer übel. Seit beinahe einem Tag hatte sie nichts gegessen. Und nach den Schrecken der vergangenen Nacht hatte sie auch gar keinen Hunger mehr verspürt. Erst in den dicken Rauchschwaden neben dem aufgebahrten Leichnam der Gräfin spürte sie den beißenden Hunger wieder und hörte das rebellische Knurren ihres Magens. In den letzten Stunden hatte sie geglaubt, ihr sei übel vor Angst.
Die ganze Nacht über hatte sie kein Auge zugetan und war in der Küche unter einem der Tische gelegen. Zwischen Kisten mit Äpfeln und kleinen Fässern voller Mehl und Hühnerfedern hatte sie sich notdürftig gegen die Kälte geschützt. Viel lieber hätte sie neben den Küchenmägden und Knechten vor dem Backofen gelegen, der eine wohlige Wärme verbreitete und immerhin ein wenig vor der eisigen Kälte schützte. Aber die Männer und Frauen hatten sie auf eine Art und Weise angeschaut, dass sie sich nicht getraut hatte, sich ihnen zu nähern. Also war sie zu den beiden Hunden unter den Tisch gekrochen. Die hatten zwar auch zuerst geknurrt, dann aber bereitwillig Platz gemacht. Sie würden sofort anschlagen, wenn das Wilde Heer auftauchen sollte. So konnte Franzi wenigstens nicht im Schlaf von der Gräfin überrascht werden.
Geschlafen hatte sie dann aber trotzdem nicht. Die ganze Nacht hatte sie Meresins Worte denken müssen.
„Was hat er denn gesagt?“, fragte Hieronymus eindringlich.
„Er hat sie um Gnade angefleht“, antwortete Franzi und erzählte dem Kaplan in allen Einzelheiten, was sich zugetragen hatte. Nur über Meresin schwieg sie sich aus. Deshalb kamen dem Geistlichen die Vorkommnisse ein wenig komisch vor.
„Und die Seele der Gräfin hat sich einfach so zurückgezogen und euch alleine gelassen?“
Franzi senkte den Blick und schüttelte den Kopf.
„Du verschweigst mir doch etwas.“
„Meresin war da.“
„Wer ist das?“
„Mein Schutzengel.“
Sprachlos bekreuzigte sich der Kaplan hastig und sah voller Furcht auf den Leichnam der Gräfin. „Ein Engel?“
Franzi nickte. „Er hat gesagt, die Gräfin sei verdammt und ihre Seele wäre schon verloren gewesen, noch ehe sie starb. Sie hat große Schuld auf sich geladen.“ Den letzten Satz sagte sie so leise, dass der Kaplan sie kaum verstehen konnte.
„Was sagst du da?“
„Sie war schuldig vor Gott, deswegen wurde sie verdammt bis in alle Ewigkeit.“
„Um Himmels Willen!“ Hieronymus` Miene verfinsterte sich. „Das alles hat dir der Engel gesagt? Welche Sünde hat sie begangen? Ehebruch? Ist das Kind von einem anderen? Sag die Wahrheit!“
Franzi nickte.
„Wer ist dieser Agreas?“
„Ein Engel wie Meresin.“ Furchtsam schaute Franzi zu dem Kaplan auf. Der bekreuzigte sich abermals und murmelte unverständliche lateinische Worte.
„Katharina hat einen Engel empfangen? Oh mein Gott! Und ich hatte geglaubt, die gottlose Lüsternheit des Grafen sei Schuld an allem. Was hat der Engel noch gesagt? Wie hat er die Gräfin vertrieben? Hat er Katharinas Seele mit sich genommen?“
Franzi sah ihn
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