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Engel der Finsternis (German Edition)

Engel der Finsternis (German Edition)

Titel: Engel der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S.B. Brothers
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versteckte, und nach oben getrieben, wo der Graf bereits in seinem Gemach auf sie gewartet hatte.
    Konrad war es leid, ihr gut zuzureden. „Komm her!“, befahl er mit schwerer Zunge. „Ich tu` dir nichts. Ich möchte nur, dass du mir hilfst.“ Er streckte seine Arme nach oben aus. „Zieh mir das Hemd aus. Deine Schwester musste ich nicht darum bitten.“ Konrad lachte kurz auf und bekam einen Schluckauf. „Die hat mir die Kleider regelrecht vom Leib gerissen. Der konnte es nicht schnell genug gehen.“
    Franzi stand noch immer reglos neben dem Tisch, auf dem der Bierkrug und der Becher standen, und blickte mit Tränen in den Augen zum Grafen. Sie wusste, dass es keinen Sinn mehr hatte, mit ihm reden zu wollen. In diesem Zustand war er wie jeder Stallknecht oder Wachsoldat.
    Am liebsten wäre sie weggelaufen, doch man würde sie an den Haaren in sein Gemach zurück schleifen oder ihr Dinge antun, an die sie lieber nicht denken wollte. Sie wäre nicht die Erste, die auf Befehl des Grafen dessen Männern ausgeliefert wird.
    Franzi blickte auf den Bierkrug. Sollte sie ihm noch mehr Bier anbieten? In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie war zu keinem klaren Gedanken mehr fähig und hätte in diesem Moment alles getan, um Konrad zu entgehen. Für einen Augenblick dachte sie an Walburga, doch die war nicht in der Burg. Ihre Stiefschwester würde sich ihm voller Freude und Begeisterung in die Arme werfen. Wieso hatte er nicht sie zu sich gerufen? Warum hatte er Walburga nach Hause geschickt?
    „Meresin“, flüsterte Franzi unhörbar für den Grafen. „Bitte hilf mir!“
    Der Engel stand in einer Ecke des Raumes und ballte die Fäuste vor Zorn. Erst vor wenigen Augenblicken hatte er an eben solch eine Situation gedacht. So würde es immer sein. Er konnte Franzi nicht ihr Leben lang beschützen. Doch er konnte tun, was er zuvor beschlossen hatte, auch wenn es nur ein hilfloser Versuch war, ihr etwas Zeit zu verschaffen. Er konnte sie aus Waldenfels fortschaffen, ehe es zu spät war. Aber zuerst musste er den betrunkenen Grafen irgendwie von ihr ablenken. Gerade als er das dachte, erhob sich Konrad, zog sich das Hemd aus und warf es auf den Boden.
    „Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, dann kommt eben der Berg zum Propheten“, lallte er und torkelte einige Schritte in Franzis Richtung. Meresin beobachtete, wie Franzi den Krug in die Hand nahm. Sie hob ihn nicht in die Höhe - noch nicht. Bisher schloss sie nur fest ihre Hand um den Griff und blickte voller Verzweiflung dem langsam näher kommenden Grafen entgegen. Eine Träne lief langsam über ihre Wange, und sie zitterte am ganzen Körper. Franzi starrte mit weit aufgerissenen Augen auf die Hose des Grafen. Das viele Bier hatte seine Lüsternheit in keiner Weise gemildert.
    Der Engel griff ohne zu überlegen nach dem Hocker neben sich, als Franzi plötzlich einen schrillen Schrei ausstieß. Rasch verschwand Meresin hinter einem der Teppiche, die links vom Bett des Grafen über einem Balken hingen und so einen Teil des Raumes vom Schlafbereich abtrennten.
    Die Gräfin hatte ihn nicht bemerkt. Sie war wie aus dem Nichts aufgetaucht und stellte sich zwischen Franzi und den torkelnden Grafen. Der schaute verständnislos aus weit aufgerissenen Augen auf seine vor wenigen Stunden verstorbene Frau und schnappte nach Luft wie ein an Land geworfener Fisch. Man konnte ihm ansehen, dass er darüber nachdachte, ob das vielleicht nur ein Traum sein könnte. Aber die Gräfin ließ keinen Zweifel daran, dass sie wirklich und wahrhaftig vor ihm stand. Langsam schritt sie auf ihn zu - ihre leblosen Augen fest auf ihn gerichtet, die Zähne gefletscht wie ein bissiger Hund und ihre Finger verkrümmt wie Krallen.
    Meresin warf einen kurzen Blick auf Franzi. Sie war zur Wand zurückgewichen, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und wimmerte leise. Katharina war weit davon entfernt, dem Bauernmädchen Beachtung zu schenken. Zuerst wollte sie dem treulosen Grafen eine Lektion erteilen.
    Fauchend wie eine Katze näherte sich Konrad, der wieder zum Bett zurückwich und beide Arme erhoben hatte wie zu einem Faustkampf. Er wagte nicht zu schreien. Noch immer fragte er sich, ob er einer Sinnestäuschung unterleg. Aber der Kaplan hatte ihm genau das prophezeit. Das Wilde Heer würde kommen, um seine Frau zu holen, die es nicht über sich brachte, diese Welt zu verlassen. Weil sie sich um ihren Sohn sorgte. Hieronymus hatte ihm gesagt, er solle an dessen Wiege Wache halten und seine Frau nicht

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