Engel der Finsternis (German Edition)
Rainald.
„Was meinst du?“
„Sie sind hier!“
„Sie? Du meinst die Weiber? Das Wilde Heer?“
„Wir müssen dem Kaplan und dem Grafen Bescheid geben. Am besten du rufst deine Männer zusammen.“
Rainald nickte zustimmend und begann sofort, Befehle zu brüllen. Der Hausmeier lief mitten durch die entsetzt dreinschauenden Knechte und Mägde hindurch hinauf zum Wehrturm, wo der Graf gerade eben auf der kleinen Zugbrücke erschienen war.
Die Weiber flogen unbemerkt über ihn hinweg und glitten lautlos hinter ihm zu Boden. Allen voran die Gräfin. Sie ging langsam auf ihren Mann zu und stellte sich direkt hinter ihm auf. Die anderen Weiber verharrten in einiger Entfernung. Keine von ihnen wusste, was sie vorhatte. Balam hatte ihnen eingeschärft, dass dem Grafen dieses Mal nichts passieren dürfe. Sie waren aus einem anderen Grund hier. Die Köhlerin wusste, der Gräfin gefiel nicht, was man von ihnen gefordert hatte. Katharina hatte sich zwar dem Willen der Engel gebeugt, aber sie war offenbar nicht bereit, ihren Mann einfach so davonkommen zu lassen.
Die ganze letzte Nacht hatte sie gelästert und gelacht und sich über ihren Mann lustig gemacht, der sich wegen ihr wie ein Kleinkind in die Hosen gemacht hatte. Sie sah ihn wieder vor sich, wie er winselnd und zitternd vor ihr lag, ihren Fuß an der Kehle und gelähmt vor Angst. Katharina näherte ihr Gesicht ganz langsam seinem Kopf und schnupperte an ihm wie ein Spürhund. Konrad stank unerträglich nach Bier und kaltem Rauch. Sie fasste ihm ins Haar, streichelte ihn sanft über den Kopf und schien ihn liebkosen zu wollen. Stattdessen fasste sie zu und riss die Hand in die Höhe.
Konrad zuckte zusammen und kratzte sich am Kopf. Er hatte so etwas wie einen Stich verspürt, ein unangenehmes Ziehen. Verwirrt drehte er sich um und stand von Angesicht zu Angesicht mit Katharina. Sie blickte ihm in die Augen, während er ratlos durch sie hindurch starrte und sich verwundert umsah.
Katharina musste sich beherrschen. Zu gerne hätte sie sich noch mehr erlaubt. Aber das Brummen der Köhlerin machte ihr klar, es war an der Zeit, zu tun, weshalb sie gekommen waren. Außerdem waren die zwei großen Hunde aus der Küche ins Freue gestürmt und näherten sich bellend und knurrend den Weibern. Einer der Rüden stellte sich breitbeinig vor Katharina, als wolle er sie angreifen.
Der Besen der Nonne traf ihn mit voller Wucht im Genick und warf ihn zu Boden. Jaulend rollte er vor den Füssen des Grafen durch den Schnee, kam blitzschnell wieder auf die Beine und suchte winselnd das Weite.
Konrad sah den Hundehalter fragend an. „Was ist denn in den gefahren?“
Der Mann bekreuzigte sich und blieb stumm. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er Odilo, der schwer atmend die steile Treppe von der Vorburg hochgelaufen kam.
„Graf!“, rief er schon von weitem. „Herr! Sie sind wieder hier, die Weiber sind wieder da!“
Bis in die Küche konnte man das laute Geschrei vom Hof hören. Walburga legte das Messer beiseite und schlich sich hinüber zu den Kräutern. Wie überall in der Burg herrschte auch in der Küche ein unbeschreibliches Durcheinander. Also würde auch niemand auf eine Bauernmagd achten, die sich völlig zwanglos an den Krügen und Beuteln zu schaffen machte.
Rasch stopfte Walburga die Kräuter in einen kleinen, zerschlissenen Lederbeutel, der an ihrem Gürtel hing, und kehrte zurück zum Tisch. Keiner hatte etwas bemerkt, fast alle redeten aufgeregt durcheinander, einige beugten die Köpfe furchtsam über die Töpfe und Teller. Jeder einzelne Knecht und jede Magd spähte immer wieder aus den Augenwinkeln heraus in die dunklen Ecken der von Wasserdampf und Rauchschwaden erfüllten Küche. Es gab nur wenige Fenster, weswegen die Küche auch an einem so sonnigen Tag wie diesem mit Fackeln erhellt werden musste. Die Feuer in den beiden Kaminen und im Ofen knisterten und die mit Harz und einer Kräuterpaste bestrichenen Fackeln zischten und knackten. Aber statt beruhigend zu wirken, schürten diese Geräusche die in der Küche fast greifbare Furcht nur noch.
Walburga sah sich nach der Gräfin und den anderen Weibern um. Obwohl sie sie nicht sehen konnte, war Walburga sich sicher, die nachtfahrenden Weiber waren anwesend.
Balam hatte ihr nur gesagt, die Weiber würden dafür sorgen, dass sie mit dem Graf ungestört sein würde. Aber sie konnte doch nicht einfach so in seine Gemächer gehen und sich ihm hingeben. Wie sollte das gehen?
Walburga wandte sich
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