Engel der Finsternis (German Edition)
Waldenfels verlassen. Weder der Dorfschulze noch die Bauern hatten mit einem Besuch ihres Herrn gerechnet. Viele wussten noch gar nichts von dem, was sich in der vergangenen Nacht in der Burg ereignet hatte. Die Bauern drängten sich an die Soldaten heran und fragten sie nach dem Grund ihres Erscheinens. Die genossen es natürlich, im Mittelpunkt zu stehen und erzählten in wenigen Worten vom Auftauchen des Dämons und der Entführung Franzis. Auch die Nachricht von der Gefangennahme Walburgas verbreitete sich in Windeseile im ganzen Dorf. Der Schulze hatte schon geglaubt, man wolle ihn für die Verfehlungen Walburgas zur Rechenschaft ziehen. Deswegen beeilte er sich auch so, den Grafen davon zu überzeugen, dass er nichts von den Vorgängen in Grimberts Haus gewusst hatte.
„Stimmt es, sein Haus ist das einzige, das vom Wilden Heer verschont worden ist?“, wollte der Graf bestätigt wissen.
„Nicht ganz“, antwortete der Dorfschulze schüchtern. „Die alte Wassermühle haben sie bisher auch gemieden.“
„Was sollten sie auch in der Mühle wollen? Sie ist verlassen. Seit Monaten geht kein Mensch mehr dorthin.“
„Natürlich, Herr!“, stimmte der Schulze diensteifrig zu.
„Wer ist das?“, fragte Konrad und deutete auf zwei dickvermummte Gestalten, die durch den Schnee auf sie zugestapft kamen.
„Das ist Jakobus, unser Dorfpfarrer, und seine Frau Mechthild. Sie ist … war die beste Freundin von Franziska.“
Der Graf erwiderte den höflichen Gruß von Jakobus.
„Ich kann kaum glauben, was ich soeben gehört habe, Herr!“ Jakobus schien ehrlich betroffen. „Meine Frau und ich kannten Franzi gut.“
„Das habe ich gehört. Dein Name ist Mechthild?“
„Ja, Herr!“
„Ich möchte, dass du mich zu Grimberts Haus begleitest.“
Mechthild verbeugte sich, ließ den Graf und sein Gefolge passieren und folgte ihnen.
Einige Jungen waren Grimberts Haus gelaufen und hatten Franzis Vater vom Kommen des Grafen unterrichtet. Als Konrad die armselige Behausung erreichte, standen Grimbert und Heidrun bereits vor der Tür und verbeugten sich demütig vor ihm.
Konrad ließ dem Burgkommandanten den Vortritt. Der stieß Grimbert beiseite und riss die Tür auf. Die Faust auf dem Griff seines Schwertes betrat er das Haus und sah sich neugierig um. Als er nichts Verdächtiges entdeckte, winkte er dem Grafen und Konrad trat ein.
„Licht!“, blaffte der Graf und einen Augenblick später wurden mehrere Fackeln am brennenden Herdfeuer entzündet. „Hast du gehört, was man deiner Tochter vorwirft?“
Heidrun stieß einen spitzen Schrei aus und Grimbert schüttelte wortlos den Kopf.
„Was hat Franziska getan?“, wollte Heidrun wissen.
„Nicht Franziska!“, antwortete der Dorfschulze. „Walburga! Sie sitzt im Kerker auf Burg Waldenfels. Es heißt, sie habe einen Pakt mit dem Wilden Heer geschlossen und einen Dämon beschworen.“
Heidrun kreischte hysterisch: „Walburga? Nein! Herr, das ist nicht wahr! Sie würde so etwas niemals tun. Wer sagt so etwas von meinem Kind? Franzi? Hat sie diese Lügen über Walburga verbreitet? Glaubt ihr kein Wort! Sie …“
„Franziska ist von einem Dämon verschleppt worden“, erklärte der Dorfschulze und sah Heidrun missbilligend an.
„Mein Gott!“, stöhnte Grimbert und ließ die Schultern sinken. Es war ihm anzusehen, wie er unter dieser Nachricht innerlich zusammenbrach. Franziska war alles, was ihm von seiner ersten, über alles geliebten Frau geblieben war. „Von einem Dämon? Ist sie tot?“
„Das wissen wir nicht.“ Konrad mied unbewusst Grimberts Blick. Ob Franzis Vater - wie so ziemlich jeder andere – davon wusste, dass er dessen Tochter nachgestellt hatte? Einerseits war es vollkommen unerheblich, was der Mann dachte. Andererseits war ihm der Gedanke unangenehm. „Als er mit ihr davonflog, soll sie noch gelebt haben.“
„Wo hat er sie hingebracht?“
„Das wollen wir herausfinden“, antwortete der Burgkommandant und sah sich bedeutungsvoll im Haus um.
„Hier? In meinem Haus?“ Grimbert war sprachlos. Er begriff noch immer nicht. Heidrun dagegen schon.
„Walburga hat mit dem Verschwinden von Franziska nichts zu tun!“, rief sie und packte Grimbert am Arm. „Los, sag ihnen, dass meine Tochter damit nichts zu tun hat, Grimbert!“ Aber Franziskas Vater starrte nur fassungslos auf den Grafen, der Befehl erteilte, das Haus zu durchsuchen.
Die Soldaten gingen nicht eben zimperlich vor. „Nach was sollen wir denn suchen?“, maulte
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