Engel der Finsternis (German Edition)
warum werdet dann ausgerechnet ihr von den Weibern verschont?“, unterbrach der Gutsverwalter Heidruns Gestammel. „Wenn es an dem ist, wie du sagst, warum lassen die Weiber euch in Frieden?“
„Um den Verdacht auf uns zu lenken natürlich!“ Ihr seht doch selbst, Herr, alle denken, wir seien die Schuldigen. Dabei ist es Franziska, die mit dem Wilden Heer unter einer Decke steckt. Sie hat die Weiber gerufen und den Dämon beschworen. Franziska …“
„Du redest ungereimtes Zeug!“, widersprach ihr der Graf unwirsch. „Der Kaplan kann bezeugen, dass die Weiber sie angegriffen haben.“
„Aber ihr ist nie etwas geschehen!“
„Da hat sie recht“, bestätigte der Gutsverwalter nachdenklich und rieb sich mit einer Hand über das kantige Kinn.
„Und was ist mit dem Engel?“ Der Burgkommandant wirkte nicht vollkommen überzeugt. „Hat Franzi dabei etwa zugesehen, wie diese Kreatur aus der Hölle ihren eigenen Schutzengel getötet hat?“
„Ja, so muss es gewesen sein! Vielleicht hat der Engel Franziska bestrafen wollen für ihre Sündhaftigkeit und deswegen hat sie den Dämon gerufen und ihm befohlen, den Engel zu töten. Und dann ist sie …“
„Es reicht! Ich werde über das nachdenken, was du gesagt hast. Aber bis ich eine Entscheidung gefällt habe, bleibt deine Tochter im Kerker!“ Der Graf wandte sich dem Dorfschulzen zu. „Und du sorgst dafür, dass Heidrun und Grimbert das Dorf nicht verlassen. Behalte sie gut im Auge! Wenn das Weib die Wahrheit gesagt hat, wird Franziska hierher zurückkehren.“
20. Kapitel
„Wieso sollte sie das tun?“ Die Nonne sprach ihre Zweifel offen aus. Bisher hatte nichts so funktioniert, wie Agreas es vorhergesagt hatte. „Sie ist bei Meresin. Er wird sie beschützen.“
Agreas knurrte wie ein tollwütiger Hund und warf der Nonne einen furchterregenden Blick zu. Seine Augen glühten. Obwohl er den Weibern des Wilden Heeres in Gestalt eines Engels erschienen war, strahlten seine Pupillen ein grelles, rotes Licht aus. Er duldete keinen Widerspruch und erst recht keine versteckte oder offene Kritik. Auch nicht in dieser Situation. Balam war tot. Jeder Dämon und jedes einzelne der nachtfahrenden Weiber wusste, es war Agreas` Schuld. Er hätte besser aufpassen müssen. Schließlich hatte Agreas Balam fest zugesagt, dass er mit Franzi allein sein würde. Nur deswegen hatte diesen das Erscheinen von Meresin derart überraschen können. Nun war die Autorität des Dämons erschüttert. Das war ihm durchaus bewusst und daher reagierte er gegen jede Art von Einwand überempfindlich.
Auch in der Frage der Nonne vermutete er einen versteckten Vorwurf. Für Agreas hörte es sich so an, als wollte sie fragen, wie er sich so sicher sein könne, obwohl er sich bereits geirrt hatte.
„Weil es in ihrer Natur liegt“, antwortete er grimmig. „Dagegen kommt nicht einmal Meresin an. Und er weiß es. Er hat nur eine Chance. Meresin muss sie von hier fortschaffen, ehe sie mitbekommt, was mit ihrer Familie geschieht. Und genau das werden wir verhindern.“
„Wie stellst du dir das vor?“ Die Köhlerin wirkte nicht überzeugt. „Die Wälder sind riesig. Wie sollen wir ihn denn aufspüren? Er weiß, wohin er gehen kann und er wird das Mädchen tragen, damit es keine Spuren hinterlässt. Meresin ist raffiniert.“
Agreas war mit seiner Geduld am Ende. Er schritt langsam auf Marlies zu, packte sie mit einer Hand an der Gurgel und sah ihr tief in die Augen. „Ihr werdet tun, was ich euch sage! Hat das jetzt jede von euch verstanden? Wenn ich entscheide, dass wir ihn suchen, dann werdet ihr das tun.“ Er ließ sie wieder los und trat einen Schritt zurück. „Aber die Suche nach ihm ist nicht eure Sache. Ihr werdet euch um Grimbert und Heidrun kümmern, während wir uns auf die Suche nach Meresin machen.“
Die Köhlerin sah ihn fragend an. „Aber wir können Grimbert und Heidrun nichts antun. Du weißt das! Der Pakt gilt!“
„Lass das meine Sorge sein! Walburga wird ihre Meinung ändern. Also haltet euch bereit! Ich werde euch rufen, sobald ich mit ihr geredet habe.“
„Und du bist dir sicher, er ist noch hier?“ Harut war der größte Dämon unter den gefallenen Engeln, größer noch als Meresin. Ein Riese mit mächtigen Oberarmen und gewaltigen Beinen und einem Brustkorb, der fast doppelt so groß war wie der jedes anderen Mannes. Er schien nur aus Muskeln zu bestehen und genoss es, diese zur Schau zu stellen. Seine Schwingen wirkten wie kleine Segel. Die
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