Engel der Kindheit
nicht intensiv genug nach Ihnen gesucht. So hat sich jetzt eine ganz schöne Summe angehäuft, die Sie von dem Erlös des Hauses und Grundstücks abbezahlen müssen.“ Leichter Unmut lag in der Stimme des Notars.
„Senden Sie mir den Vertrag zu, ich unterschreibe ihn, lasse meine Unterschrift hier von einem Notar beglaubigen und schicke es Ihnen wieder zurück.“ Es ärgerte Nils, dass er nie daran gedacht hatte, dass der Heimaufenthalt seines Vaters ja von irgendwoher bezahlt werden musste und er jetzt für dessen entstandenen Unterhalt zuständig war. Was sicherlich von Rechts wegen stimmte, aber von ihm aus hätte sein Vater in der Gosse landen können. Unter einer Brücke hätte er jämmerlich verrecken können.
„Sie müssen leider persönlich zu mir kommen! Ich, und nur ich, bin der notarielle Erbschaftsverwalter dieser Angelegenheit und von der Stadt Hamburg beauftragt. Ich muss persönlich Ihre eigenhändige Unterschrift beglaubigen. Ohne Ihre persönliche Anwesenheit kann ich das Haus weder verkaufen, noch versteigern, auch nicht mit beglaubigter Unterschrift. Ich bitte Sie, Herr Keller, es ist nur eine kurze Unterschrift, um den Rest kümmern wir uns. Ihnen wird der restliche Erlös überwiesen, sobald das Haus verkauft ist!“
Hinter Nils Stirn arbeiteten seine Gedanken fieberhaft.
„Herr Keller? Sind Sie nach dran?“ Nur noch rasselnde Geräusche im Hintergrund hörte Herr Schultheiß.
„Ja! Ich... ich werde kommen, aber nur für einen Tag! Bereiten Sie alle Unterlagen vor! Ich möchte das Haus umgehend verkaufen!“
Einen festen Termin Anfang der nächsten Woche vereinbarte Nils mit dem Notar, bis dahin wären die Schriftstücke vorbereitet.
Melancholisch saß Nils im Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland, sah die wollweißen, vollen Wolken unter sich und dachte über sein Leben nach, das so anders verlaufen war, als er es sich vorgestellt hatte. Ob Lena wohl schon verheiratet war? Bestimmt! Eine Frau wie sie würde nicht lange auf den Mann warten müssen, der mit ihr sein Glück finden würde. Wenn er die Augen schloss sah er ihre anmutigen Bewegungen, ihr Lächeln, ihr wallendes Haar und die schönsten Augen, die er jemals gesehen hatte. Lena! Für seinen Sohn hatte er sie geopfert, aber Sam brauchte ihn. Ohne ihn würde er ohne Liebe aufwachsen müssen. Marie-Luise sah ihren Sohn nur an, wenn er bei den Mahlzeiten neben Nils in seinem Hochstuhl saß. Angewidert betrachtete sie Sam und Nils, wenn Nils seinen Sohn fütterte. Jedes Mal beschwerte sie sich über die Sauerei, die unweigerlich entstand, wenn Sam versuchte selbst den Löffel in den Mund zu schieben.
Voller Stolz beobachtete Nils Sam, während Marie-Luise jedes Mal hysterisch aus dem Zimmer rannte, um ihren Mantel überzuziehen und die Nacht mit ihren Liebhabern zu verbringen.
Nie wieder hatten sie sich berührt. Erleichtert war Nils, dass sie sich mit genügend Männern treffen konnte, die ihre sexuellen Wünsche befriedigten, so dass er sich seiner Haut nicht mehr erwehren musste.
Das Gefühl, als er wieder deutschen Boden betrat, war unbeschreiblich. Wie klein ihm hier alles vorkam und doch fühlte er sich, wie wenn er endlich nach Hause gekommen wäre.
19. Kapitel
„Lena, gehst du mit mir den Hochzeitsanzug kaufen, ich kann das nicht allein!“, flehte Krischan sie durch den Telefonhörer an. In einem Monat würde die Hochzeit in einer kleinen Dorfkirche auf Amrum stattfinden, die Einladungen waren allesamt verschickt, die Tischkarten hatte Lena selbstgebastelt, die Speisenfolge war ausgesucht, alles war organisiert. Vor ein paar Wochen hatte Lena ihr Brautkleid gekauft, nur noch kleine Änderungen mussten vorgenommen werden. Für ein naturweißes Baumwollkleid mit unzähligen, klitzekleinen und von Hand eingestickten perlweißen Blüten hatte sie sich entschieden. Dazu würde sie einen Blütenkranz aus frischen Wiesenblumen tragen. Babs Kleid war aus rosa Baumwolle, reichte bis zum Knöchel und war in der Taille gebunden. Aus einem Weidenkorb würde sie Blumenköpfe streuen dürfen.
„Krischan, ich muss über das nächste Wochenende lernen! Ich habe die ganze nächste Woche Prüfungen! Ich kann frühestens das Wochenende darauf zu dir kommen! Dann sollten wir uns aber in Niebüll treffen, auf Amrum finden wir bestimmt nichts!“ Innerlich musste Lena über die Männer lächeln, die nicht in der Lage waren, sich für einen Anzug zu entscheiden. Dieses Drama kannte sie von ihrem
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