Engel der Kindheit
Unverständlich schüttelte Sonja ihre lockigen Haare.
„Aber sie liebt ihn nicht! Schau sie dir doch an, wenn sie zusammen sind! Ihre Körpersprache drückt ihre Gefühle ganz genau aus. Sie lässt Krischan gewähren, wenn er ihre Hand ergreift, nie würde sie selbst seine Hand suchen. Wenn er sie küssen möchte, dreht sie ihm oft die Wange hin. Sie versucht von ihren Gefühlen abzulenken, indem sie vorgibt, etwas Anderes, Wichtigeres gerade in diesem Moment erledigen zu müssen. Sonja, sieh dir ihre Augen an! Sie ist nicht glücklich! Ich hoffe, dass sie keine Dummheiten macht!“ Natürlich wusste Georg, dass er seiner Frau damit sehr wehtat, aber er liebte seine Tochter und wollte nicht, dass sie in ihr Unglück rannte.
„Möchtest du damit sagen, dass sie ihr Leben alleine verbringen soll, nur weil Nils sie verlassen hat und ihr beide der Meinung seid, dass das der einzige Mann für sie ist?“ Aufgeregt lief Sonja im Zimmer auf und ab. „Das kannst du nicht wirklich meinen! Krischan und Lena haben so viele Gemeinsamkeiten, sie ergänzen sich und harmonieren. Nils ist verheiratet und er hat noch die Frechheit besessen, ihr die Hochzeitsanzeige zu schicken.“ Erregt hatten sich ihre Wangen gerötet.
„Wenn es Nils nicht sein kann, muss sie vielleicht warten, bis ein anderer Mann ihr Herz erobert, aber es wird nicht Krischan sein, der dieses Wunder vollbringen kann! Sie ist mit ihm zusammen, weil er ein guter Freund ist!“ Jäh unterbrach Georg den aufgeregten Gang seiner Frau, fasste ihre Ellenbogen und sah ihr fest in die Augen.
„Du kannst sagen, was du möchtest, ich bin der Meinung, dass sie ein wunderbares Ehepaar abgeben würden!“ Leicht beleidigt griff Sonja nach ihrem gehäkelten Umhang, nahm ihre kleine Abendtasche, Georg zog ein legeres Jackett über und nahm die Hand seiner Frau. Hand in Hand verließen sie ihre Ferienwohnung.
Vor dem Lokal warteten bereits Krischan mit seinen Eltern, Hugo und Frederike Morgensen, Lena und Babs.
In ein angeregtes Gespräch war Krischan mit seinen Eltern vertieft. Sein Vater ähnelte ihm sehr, die gleiche große, breite Statur, das blondgelockte Haar, sogar die rundliche Gesichtsform und das freundliche Lächeln auf den breiten Lippen. Unscheinbar, klein und zierlich war Krischans Mutter, sie trug ihre Haare kurzgeschnitten, was einfach praktischer war, bei dem andauernden Wind.
Gedankenverloren kniete Lena neben Babs und streichelte die zarte Blüte einer fettglänzenden, wachsgelben Dotterblume. Fasziniert fuhr Babs mit ihren kleinen Fingerchen vorsichtig über die glatten festen Blütenblätter.
Hinweisend sah Georg Sonja an. Das war es, was er gemeint hatte. Jede Gelegenheit nützte Lena, die sie nicht in Krischans direkter Nähe verbringen musste.
Freudig begrüßten sie sich, die Eltern kannten sich bereits gegenseitig, Krischan nahm Lenas Hand, Babs war an der Hand ihrer Momi, selbstsicher trat er in das erlesene Lokal.
Ein Kellner in schwarzer Hose, weißem, gestärktem Hemd und schwarzer Weste darüber, führte sie zu ihrem Tisch, der abseits, in einer gemütlichen Nische, für sie eingedeckt war. Ein strahlendweißes Damasttischtuch, ebensolche Stoffservietten, glänzendes Silberbesteck und strahlende Weingläser zierten den festlichen Tisch. In der Mitte stand ein Blumengesteck mit leuchtend roten Gerbera und weißen Lilienblüten.
Höflich brachte der Kellner prickelnden Champagner in hohen Champagnerkelchen und reichte jedem ein Glas. Diskret entfernte er sich. Selbstverständlich hatte Babs ein niederes Glas Orangensaft erhalten.
Bestürzt spürte Lena, wie ihre Atmung sich verengte. Bebend griff sie in die Tasche ihres Kleides. So sicher war sie sich, dass sich dort ihr Spray befand. Fahrig suchte sie danach, doch ihre Hand tastete ihm Leeren. Pfeifend zog sie die Luft schon in ihre Lungen. Krischan, der das Glas erhoben hatte, sah ihr verliebt in die Augen, bemerkte, wie sie nach Luft schnappte und stellte das Glas hart auf den Tisch. Hektisch suchte er ebenfalls in ihrer Kleidertasche, fand das Spray auf der anderen Seite und reichte es Lena, deren Lippen sich bereits blauverfärbten. Zischend, röchelnd und pfeifend schnappte sie erstickend nach Luft. Alle starrten sie erschüttert an, Georg sprang auf, um seiner Tochter zur Hilfe zu kommen.
Zitternd nahm Krischan ihr das Spray aus der Hand, Lena war nicht mehr in der Lage ihre Hand ruhig zu halten und in ihren Mund zu sprühen. Aufgeregt setzte er ihr das Spray an die Lippen,
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