Engel der Kindheit
hart drücke er es nieder, ein feuchter Stoß drang in ihren Mund. Erneut drückte Krischan und hörte, wie Lenas Atmung sich langsam normalisierte.
Noch aufgewühlt und blass blickte Lena entschuldigend in die Runde. „Es tut mir leid!“ Leise kamen die Worte über ihre Lippen. Dankbar lächelte sie ihrem Vater zu, der sich wieder an seinen Platz begab. Ängstlich drängelte Babs sich an ihre Mutter, ihre Ärmchen umklammerten Lena, die sie beruhigend in ihren Armen schaukelte. „Ist schon gut!“
Etwas konfus legte Krischan den Arm um ihre Schulter und drückte sie an sich. Aufmunternd nickte Lena ihm zu, Krischan verstand ihren Wink, hob erneut das Champagnerglas und sah Georg und Sonja, Hugo und Frederike fest in die Augen.
„Ich hatte mir eine so schöne Rede ausgedacht, aber jetzt haben sich alle Worte in Wohlgefallen aufgelöst. Nur so viel bekomme ich noch zusammen, dass Lena und ich im nächsten Sommer gerne heiraten würden, wenn Sie uns Ihre Zustimmung geben?“ Fragend blickte Krischan Lenas Eltern an, er wusste, dass sie ihn mochten. Stolz lächelte er seinen Eltern zu.
„Unseren Segen habt ihr! Wir wünschen euch alles Glück der Welt!“ Sonja, die überglücklich ihren Mann ansah, erhob ihr Glas, alle taten es ihr nach, klirrend stießen die Gläser in der Mitte des runden Tisches zusammen. Kritisch blickte Georg seine Tochter an, die seinem Blick verlegen auswich. Mehr hatte er nicht wissen wollen. Seine Lena machte den größten Fehler ihres Lebens. Hoffentlich erkannte sie es, bevor es zu spät war.
18. Kapitel
Völlig überraschend erhielt Nils den Anruf eines deutschen Notars am Abend eines kalten Junitages, den er bei seinem Sohn im Kinderzimmer verbrachte. Inzwischen war Sam neun Monate alt und gedieh prächtig. Jede freie Minute verbrachte Nils mit Sam. Auf allen Vieren krabbelte Sam durch sein Zimmer, Nils saß im Schneidersitz auf dem Boden, hielt eine Rassel in der Hand, mit der er Sam anlockte und die er immer wieder in seinen Händen verschwinden ließ. Kichernd suchte Sam das Geräusch, das immer wieder aus der Richtung seines Vaters erklang.
„Papa!“ Wonnig setzte Sam sich vor ihn auf den Boden, deutete anklagend auf die versteckten Hände und sah ihn strahlend an. Mit einem einzigen Griff schnappte Nils seinen Sohn, hob ihn an seinen ausgestreckten Armen in die Luft, über seinen Kopf und schüttelte ihn lachend. Vor Freude quietschte Sam, strampelt mit den Armen und Beinen, als Marie-Luise das Zimmer betrat.
„Mein Gott, Nils, das ist so peinlich!“, rief sie pikiert aus. „Du sitzt hier auf dem Boden, anstatt deine Freizeit sinnvoll zu verbringen. Außer dada, wawa und miau kommt nichts aus deinem Mund. Wie konnte ich mich nur so täuschen!“ Über ihre Verfehlung schüttelte sie entsetzt den perfekt gestylten Kopf. „Telefon für dich! Ein Notar aus Deutschland!“ Abfällig reichte Marie-Luise ihm das tragbare Telefon. Für den Abend hatte sie sich bereits zurechtgemacht und ihren auffälligen knielangen, vortrefflich figurbetonenden und feuerroten Hochglanzlackmantel übergezogen. Wie immer kamen ihre rehschlanken Beine in den schwindelerregend hohen knallroten Pumps vollendet zur Geltung, so wie ihre ganze Erscheinung makellos und aufreizend wirkte.
Ohne ein weiteres Wort drehte sie sich um, ihren Sohn beachtete sie überhaupt nicht, hatte ihn noch nie auch nur berührt, majestätisch schritt sie aus dem Zimmer.
Erstaunt nahm Nils das Telefon entgegen, meldete sich und lauschte der deutschen Stimme.
„Herr Keller! Doktor Schultheiß hier! Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Vater gestorben ist, mein Beileid! Er hat die letzten Jahre seines Lebens in einem Pflegeheim verbracht!“ Als keinerlei Reaktion am anderen Ende zu hören war, redete der Notar einfach weiter. „Nun, Sie sind der einzige Erbe, das Haus Ihrer Eltern gehört Ihnen! Wegen der Erbangelegenheiten müssten Sie bitte umgehend nach Deutschland kommen!“ Bestimmt und klar klang die Stimme.
„Ich werde nie wieder nach Deutschland kommen, verkaufen Sie das Haus, es interessiert mich nicht!“ Problemlos konnte Nils in seine Muttersprache überwechseln. Oft sprach er mit Sam in Deutsch, warum wusste er nicht zu sagen.
„Es tut mir sehr leid, aber ich muss darauf bestehen, da die Stadt Hamburg eine Teilpfändung auf dem Grundstück eingetragen hat und Geld von Ihnen einfordert, um die entstandenen Heimkosten Ihres Vaters zu decken. Damals wurde wohl
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