Engel der Kindheit
zuziehen und auf Kommando anfangen zu rammeln, wie die Kaninchen.“ Sorgenvoll blickte er über den Hafen, an dem zu dieser späteren Abendstunde die letzten Segelschiffe in den sicheren Hafen einfuhren, bevor sich die Nacht über das Land senkte.
„Mach dir nicht so viel Gedanken! Es wird sich alles von selbst ergeben! Alison scheint mir nicht so gefühlskalt zu sein, dass es ihr ausschließlich und sofort um das Eine geht. Du wirst sehen, dass es leichter geht, als du jetzt meinst und als riesigen Berg vor dir herschiebst!“ Angewidert schob Nils seinen angebissenen Hamburger und beinahe die ganzen Pommes von sich. Beinahe augenblicklich griff Sven danach und zog die Pappschale vor sich. Nach der körperlichen Arbeit, die er den ganzen Tag verrichtete, hatte er Hunger, während Nils immer magerer wurde. Statt des Essens zündete er sich mit dem Streichholz eine Zigarette an und atmete tief den Rauch ein, der seine Lungen füllte. Langsam und genüsslich blies er den Rauch aus seinem halbgeöffneten Mund, blickte dem weißblauen Dunst hinterher, der sich mit der klaren Luft vermischte und zum wolkenlosen Himmel stieg. Die Bierflasche setzte er an seine Lippen und trank einen großen Schluck daraus.
„Hallo ihr Beiden!“ Keine zwei Minuten später lehnte Alison ihr Fahrrad an die Holzwand des Strandhauses und trat barfuß auf die Steinplatten der Terrasse.
„Hallo, Alison!“ Höflich nahm Nils seine Füße von dem freien Stuhl, auf dem er sie gemütlich ausgestreckt hatte.
Viel zu aufgeregt, war Sven nicht in der Lage, einen Ton über die Lippen zu bringen. Trommelwirbelgleich raste sein Herz und die Kehle war ihm wie zugeschnürt. Hätte er es nur gestern hinter sich gebracht, dann würde heute dieser Leistungsdruck nicht auf ihm lasten.
Zwanglos zog Alison sich den Stuhl neben Sven, lehnte sich gemütlich an die hohe Holzlehne und schnappte sich ein Pommes aus seiner halbgefüllten Schale. Vertraut schob sie ihre nackten Füße unter seinen Schenkel.
„Mein Vater hat berichtet, dass der Polizeichef heute Nachmittag in Samuel Rodneys Büro war. Gemeinsam haben sie sämtliche Pläne der `Charlotte´ eingesammelt, um ja keine Spuren zu hinterlassen.“ Gedankenverloren drehte Alison eine ihrer blonden Korkenzieherlocken um ihren Zeigefinger.
„Was soll das heißen?“ Messerscharf blickten Nils Augen sie an.
„Das soll heißen, dass der Polizeichef ein Freund von Samuel Rodney ist und ihm behilflich war, sämtliche Spuren zu verwischen, die auf eine Fehlkonstruktion hindeuten könnten. Du kannst dir sicher sein, dass sie alles verbrannt haben, so wie damals auch! Mein Vater hat erzählt, dass die Eltern der damaligen Jugendlichen Samuel Rodney angezeigt hatten, aber die Anzeige wurde mangels Beweisen niedergeschlagen. Kein Plan war mehr zu finden gewesen, der hätte belegen können, dass es sich um eine Fehlkonstruktion gehandelt hatte.“ Bitter blickte Alisons Nils an, dessen Wut bei dem Gehörten erneut aufflammte.
„Hätte ich nur eine Kopie gemacht! Ich habe es mir noch überlegt, aber dann, bei der vielen Arbeit, vergessen!“ Tausend Funken sprühten aus seinen sonst so traurig und eher sanft blickenden Augen. Erregt sprang Nils auf, presste den Daumen und Zeigefinger gegen seine schmerzende Nasenwurzel, lief über die Platten der Terrasse, die Hände tief in den Taschen seiner Jeans vergraben.
„Seid mir nicht böse, aber ich muss mich abreagieren, ich werde an den Strand zum Joggen gehen!“ Eilig ging er in das Innere des Strandhauses, wartete nicht die Zustimmung seiner Freunde ab, zog sich Socken und Turnschuhe an, öffnete die Haustüre und rannte viel zu schnell und erregt über den festen Sandstein, spurtete bis an die Straße, die den Beginn des in das Meer ragenden Felsen berührte, von dort erreichte er den zwischen Felsköpfen eingebetteten Sandstrand.
„Es nimmt ihn mit! Er macht sich Vorwürfe, dass er nicht energischer darauf bestanden hat, die Jacht zu verändern!“ Verlegen blickte Sven auf seine nervösen Hände, die die Holzgabel der Pommes Frites in den Fingern zerbrachen.
Spitze, ungleiche Splitter ragten aus dem gesprungenen Holz.
„Ich weiß!“ Körperlich spürte Alison seine Zerrissenheit, seine Nervosität. Wie selbstverständlich erhob sie sich und ließ sich auf seinem Schoß nieder. Ängstlich blickten seine Augen in ihr Gesicht, doch sie lächelte ihn liebevoll an, nahm sein Gesicht in ihre Hände und strich ihm mit den Daumen über seine Wangen.
Zart
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