Engel Der Nacht
hast Elliot da mit Patch verwechselt. Und nachdem du heute Abend ein bisschen herumgeschnüffelt hast, werden die Tatsachen das bestätigen. Glaub mir, ich will genauso sehr wissen wie du, wer mich überfallen hat. Wahrscheinlich noch mehr, ich hab das nämlich schon persönlich genommen. Und wo wir schon mal dabei sind, uns gegenseitig Ratschläge zu erteilen, hier ist meiner: Halte dich von Patch fern. Nur zur Sicherheit.«
»Schön, dass du alles so gründlich durchdacht hast«, sagte ich knapp. »Aber hör mir lieber mal zu. Ich habe einen Artikel gefunden …«
Die Türen des Borderline öffneten sich. Eine nach Limonen und Cilantro duftende Hitzewelle schlug uns entgegen, zusammen mit dem Sound einer Mariachikapelle, der aus den Lautsprechern kam.
»Willkommen im Borderline«, grüßte uns eine Hostess. »Nur Sie beide heute Abend?«
Elliot stand hinter ihr in der halbdunklen Eingangshalle. Wir entdeckten einander zur gleichen Zeit. Sein Mund lächelte, aber seine Augen nicht.
»Ladys«, sagte er händereibend, als er auf uns zutrat. »Ihr seht großartig aus, wie immer.«
Meine Haut prickelte.
»Wo ist dein Komplize?«, fragte Vee und sah sich in der Halle um. Papierlaternen hingen von der Decke und das Wandgemälde eines mexikanischen Dorfes erstreckte sich über zwei Wände. Die Wartebänke waren schon voll. Keine Spur von Jules.
»Schlechte Neuigkeiten«, sagte Elliot. »Der Mann ist krank, ihr müsst also mit mir vorliebnehmen.«
»Krank?«, verlangte Vee zu wissen. »Wie, krank? Was für eine Ausrede ist das, krank ?«
»Krank wie: Es kommt an beiden Enden raus.«
Vee rümpfte die Nase. »So genau wollte ich’s auch wieder nicht wissen.«
Mir fiel es immer noch schwer, mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass zwischen Vee und Jules etwas laufen sollte. Jules hatte einen missmutigen, grüblerischen und an Vees oder irgendjemandes Gesellschaft völlig desinteressierten Eindruck gemacht. Ich fühlte mich zutiefst unwohl bei dem Gedanken, dass Vee sich allein mit Jules traf. Nicht unbedingt, weil er so unangenehm gewesen wäre oder weil ich so wenig von ihm wusste, sondern allein nur wegen der Tatsache, dass er eng mit Elliot befreundet war.
Die Hostess zog drei Speisekarten aus einem Fach und führte uns zu einer Nische, die so dicht an der Küche lag, dass ich das Feuer der Öfen praktisch durch die Wände fühlen konnte. Links von uns war die Salsa-Bar. Rechts führten beschlagene Glastüren hinaus auf einen Innenhof. Meine Popelinbluse klebte bereits jetzt an meinem Rücken. Mein Schweißausbruch hatte allerdings vielleicht mehr mit den Neuigkeiten über Vee und Jules zu tun als mit der Hitze.
»Ist der Tisch in Ordnung?«, fragte die Bedienung, als sie auf die Nische zeigte.
»Prima«, bestätigte Elliot und zog seine Bomberjacke
aus. »Ich liebe dieses Lokal. Wenn man nicht schon wegen der Temperatur hier drinnen schwitzt, dann spätestens beim Essen.«
Das Lächeln der Bedienung leuchtete auf. »Sie waren schon mal hier. Darf ich Ihnen zuerst die Chips mit unserer neuen Jalapeño-Salsa anbieten? Die schärfste bis jetzt.«
»Ich mag scharfe Sachen«, sagte Elliot.
Ich war mir ziemlich sicher, dass er das anzüglich meinte. Als ich dachte, er sei nicht so ordinär wie Marcie, war ich viel zu großzügig gewesen. Bezüglich seines gesamten Charakters war ich überhaupt viel zu großzügig gewesen, Punkt. Besonders jetzt, wo ich wusste, dass er einen Mordverdacht zu verbergen hatte, zusammen mit wer weiß wie vielen anderen Leichen im Keller.
Die Hostess musterte ihn abschätzend. »Ich bin gleich wieder da mit den Chips und der Salsa. Ihre Kellnerin kommt sofort, um die Bestellung aufzunehmen.«
Vee ließ sich als Erste in die Nische fallen. Ich setzte mich neben sie, und Elliot nahm den Platz mir gegenüber. Unsere Blicke trafen sich, und da war etwas Dunkles in seinem Blick. Höchstwahrscheinlich Ärger. Vielleicht sogar Feindseligkeit. Ich fragte mich, ob er wusste, dass ich den Artikel gesehen hatte.
»Lila ist deine Farbe, Nora«, sagte er und nickte in Richtung meines Schals, als ich ihn von meinem Hals löste und am Griff meiner Handtasche festband. »Es bringt deine Augen zum Leuchten.«
Vee tippte meinen Fuß an. Sie dachte tatsächlich, er meinte das als Kompliment.
»So«, sagte ich zu Elliot mit einem gezwungenen Lächeln. »Warum erzählst du uns nicht mal ein paar nette Geschichten aus der Kinghorn Prep?«
»Au ja«, stimmte Vee ein. »Gibt es Geheimbünde? Wie im
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