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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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Andeutung eines Lächelns im Gesicht, ließ
sich die Unbekannte mit ihrer Antwort Zeit. »Na schön, wenn Ihr darauf besteht!«,
seufzte sie, schürzte die pfirsichfarbenen Lippen und blinzelte Berengar aufreizend
an. »Man nennt mich …«
    »Egal, wie man Euch nennt –«, erscholl plötzlich
eine ihm wohlbekannte Stimme in seinem Rücken, so laut, dass sie Berengar wie die
Posaunen von Jericho vorkamen, »der Verlobte meiner Nichte hat derzeit Besseres
zu tun, als seine Zeit mit einer stadtbekannten Kurtisane zu vertrödeln! Auf ein
Wort, Vogt, mit Irmingardis steht es wahrlich nicht zum Besten!«

4
     
    Galgentor, eine Dreiviertelstunde vor Sonnenuntergang │ [16.48 h]
     
    »Aus dem Weg, Abschaum – oder soll ich dir eins überziehen?«
    Es gab Zeiten, in denen Deodatus die Schmährufe,
Zoten und niederträchtigen Kommentare nicht mehr ertrug. Am heutigen Donnerstag,
kurz vor der Schließung der Stadttore, war es wieder einmal so weit. Er hatte genug
von der Plackerei, für die sich selbst ein Bettler zu schade war, genug von den
ewigen Schikanen und genug vom Hohn, mit dem man ihn bei jeder Gelegenheit übergoss.
Deswegen stellte er sich taub, wohl wissend, dass er den Fuhrknecht hinter sich
zur Weißglut treiben und die Mission, mit der er betraut worden war, dadurch gefährden
würde.
    Folglich kam es, wie es kommen musste, wobei
sich der Müllkärrner nicht zu Unrecht fragte, ob es klug war, mit einem stadtbekannten
Raufbold Händel anzufangen. An seinem Entschluss, so töricht er auch sein mochte,
würde dies jedoch nichts ändern. Deodatus gab ein desillusioniertes Schnauben von
sich, nicht gewillt, seinen Müllkarren auch nur einen Zollbreit von der Stelle zu
bewegen. Entweder würde der Kutscher warten, bis er seinen Esel gefüttert hatte,
oder er würde klein beigeben, nach links ausscheren und das Fuhrwerk an ihm vorbeimanövrieren.
So einfach war das.
    »Bist du taub, Missgeburt, oder legst du es
auf eine Abreibung an?«
    Eine Tracht Prügel, als
ob man ihn damit hinter dem Ofen hervorlocken könnte. In seinem Leben, das die Bezeichnung
nicht verdiente, hatte es wahrlich schon genug Hiebe gesetzt. So viele, dass er
nicht einmal mehr mit der Wimper zuckte, wenn er mit einem Ochsenziemer, Knüppel
oder gar einer Peitsche Bekanntschaft machte. Seit dem Tag, an dem ihn einer der
Stadtknechte kahl geschoren, nach Strich und Faden verprügelt und ihm anschließend
vor aller Augen ein Kreuz auf der Stirn eingebrannt hatte, empfand er keine Schmerzen
mehr. Und noch etwas war ihm seit jenem verhängnisvollen Datum abhandengekommen:
sein Gedächtnis. Wie sehr er sich auch anstrengte, ihm fiel einfach nicht mehr ein,
aus welchem Grund er gebrandmarkt worden war. Überhaupt konnte er sich an nichts
mehr erinnern, was ihn mit seinem Leben vor der Stigmatisierung verband.
    Eines freilich war ihm
genau im Gedächtnis geblieben: die Worte, welche ihm der eigens herbeizitierte Dominikanermönch
im Moment seiner Brandmarkung entgegengeschleudert hatte. »Hoc signum deo datus
est!« [26] , hatte der Pfaffe in fehlerhaftem
Latein salbadert, wovon ihm, der er der Sprache nicht mächtig war, ganze zwei Worte
im Gedächtnis haften geblieben waren. Worte, die sich derart merkwürdig anhörten,
dass er sie von nun an stets vor sich hinbrabbelte. Lange Zeit später, als sich
der Mob wieder einmal das Mütchen an ihm kühlte, war dann ein Gassenjunge auf die
Idee gekommen, ihn Deodatus zu taufen. Und dabei war es geblieben.
    »Ich zähle jetzt bis drei,
dann gibt’s was auf die Ohren, Schweinefratze!«
    Die Schaufel in der Hand, mit der er einen gefrorenen
Haufen Hundekot auf seinen Karren beförderte, ließ sich Deodatus von den Drohgebärden
des Fuhrknechtes nicht beirren, drehte ihm den höckerigen und mit Blessuren übersäten
Rücken zu und fuhr mit seiner Arbeit fort. Mittlerweile hatten sich zahlreiche Gaffer
eingefunden, unter ihnen ein Büttner, zwei Färbergesellen, mehrere Kesselflicker
und ein Korbmacher, der mit verschränkten Armen am Türpfosten lehnte. Gassenjungen,
für einen Spaß auf Kosten anderer jederzeit zu haben, eilten herbei, bewarfen ihn
mit Schneebällen, schnitten Grimassen, ahmten seinen gebückten Gang nach. Deodatus
ignorierte sie nach Kräften, hatte er doch mit seiner Arbeit, die ihm aufgrund der
Kälte alles andere als leichtfiel, alle Hände voll zu tun. Der Müllkärrner setzte
eine grimmige Miene auf. Zwar war es kraft Ratsbeschlusses untersagt, Schweine frei
herumlaufen zu lassen, aber

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