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Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall

Titel: Engel der Rache - Bruder Hilperts fünfter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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gibt.«
    »Ich fürchte, da muss ich Euch enttäuschen,
Bruder. Die Pforte, durch die Ihr mein Haus betreten habt, ist die Einzige dieser
Art.«
    »Wenn dem so ist, denke ich, wird es Euch schwerfallen,
den Stadtrichter von Eurer Unschuld zu überzeugen.« Bruder Hilpert senkte das Haupt
und fuhr mit der Hand an der rechten Schläfe entlang. »Es sei denn, es gäbe jemanden,
der einen Hausschlüssel besitzt. Außer Euch und Eurer Frau, meine ich.«
    Der Badstuber wurde kreidebleich. »Wie … wie
…«, stammelte er und suchte Bruder Albans Blick, was dieser mit geistesabwesender
Miene quittierte. »Wie kommt Ihr denn auf so eine Idee?«
    »Intuition, Meister Aschenbrenner, pure Intuition.«
Kalt wie ein Fisch, trat Bruder Hilpert bis auf Armlänge an den Badstuber heran.
»Sagen wir es einmal so: Theoretisch betrachtet gibt es momentan drei Möglichkeiten.
Erstens: Ihr lügt uns allen etwas vor.«
    »Aber Ihr habt doch gesagt, dass …«
    »Zweitens: Eure Frau hat der Person, die sie
auf dem Gewissen hat, eigenhändig die Tür aufgesperrt.«
    »Und drittens?«
    »Zum Dritten, Badstuber, besteht die Möglichkeit,
dass eine weitere Person Zugang zu Meister Aschenbrenners Anwesen gehabt haben könnte.«
Bruder Hilpert dämpfte den Ton und sah dem Badstuber geradewegs in die Augen. »Fragt
sich, um wen es sich dabei …«
    »Spart Euch die Ironie, Bruder. Wir wissen auch
so, wen Ihr meint!«
    »… handeln könnte.« Ohne eine Miene zu verziehen,
wandte sich Bruder Hilpert dem Treppenabsatz zu. »Jungfer Aschenbrenner, wenn ich
nicht irre?«, begann er, im Begriff, auf die rotblonde junge Frau zuzugehen, um
sie näher in Augenschein zu nehmen.
    Doch dann, ebenso schnell, wie er auf den unerwarteten
Auftritt reagiert hatte, blieb er plötzlich stehen.
    Und vergaß, was er hatte sagen wollen.

20
     
    Ebenda, viereinhalb Stunden nach Sonnenuntergang │ [21.53 h]
     
    »Spart Euch die Ironie, Bruder. Wir wissen auch so, wen Ihr meint.«
    »Jungfer Aschenbrenner, wenn ich nicht irre?«
    Melusine antwortete mit einem Kopfnicken, unterließ
es aber, nach der Hand zu greifen, welche sich ihr entgegenstreckte. Dies war weder
der Ort noch die Zeit, um Freundlichkeiten auszutauschen. Dafür war die Lage, in
der sich ihr Vater befand, viel zu ernst.
    »Mein Name ist Franziskus,
Bruder Franziskus.« Zugegeben, der Mönch, welcher ihr die Hand darbot, sah freundlich
und integer aus. Aber das war noch lange kein Grund, so zu tun, als freue sie sich
über seinen Besuch. Für sie und ihre Absichten stellte dieser Minorit eine Bedrohung
dar. Das war nun einmal nicht von der Hand zu weisen.
    Dass der hagere, einen
halben Kopf größere und etwa zehn Jahre ältere Bettelmönch die Kränkung, welche
sie ihm durch das Ignorieren seiner Hand zugefügt hatte, ohne erkennbare Gefühlsregung
hinnahm, gab ihr zu denken. Kein Zweifel, hier handelte es sich nicht um einen jener
Kuttenträger, wie es sie in der Stadt zu Dutzenden gab. Hier hatte sie einen Mann
vor sich, der es verstand, seine Gedanken hinter einer Fassade der Demut und Rücksichtnahme
zu verbergen. Einen weltgewandten, überaus scharfsinnigen und nicht zuletzt auch
gefährlichen Mann, dessen Aura quasi automatisch Respekt einflößte. Die feingliedrigen,
vor der Brust gefalteten Hände, der prüfende Blick, die Art, wie er sie musterte
und die Mischung aus Gelassenheit und Konzentration deuteten auf einen profunden
Menschenkenner hin. Auf einen Ordensmann, dessen Domäne das Skriptorium oder die
Klosterbibliothek und nicht etwa die Stallungen oder der Wirtschaftshof war.
    Trotz alledem, so schien es, stand ihr hier
nicht nur ein gebildeter, sondern auch humorvoller und zum Scherzen aufgelegter
Mensch gegenüber. An seinem Blick und den Lachfalten um seinen Mund ließ sich dies
mehr als deutlich erkennen. Dinge, die aufgrund des asketischen Äußeren, der eingefallenen
Wangen und der dunklen und tiefliegenden Augen allerdings nicht so recht zur Geltung
kamen.
    Einerlei, dachte Melusine bei sich, hier hast
du es mit jemandem zu tun, der sich nichts vormachen lässt. Jemand, der nicht locker
lässt, bevor er auf die Wahrheit gestoßen ist.
    Kurz davor, ihn nach seinem Woher und Wohin
zu fragen, bezähmte Melusine ihre Neugier und hielt dem Blick des Unbekannten stand.
Je länger sie die graubraunen Augen des Minoriten musterten, desto deutlicher schwand
indes die Überzeugung, ihm zum ersten Mal gegenüberzustehen. Das war natürlich blanker
Unfug, vor allem, weil sie sämtliche

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