Engel der Verdammten (German Edition)
hatte alles im Griff, und die Geschäfte konnten gar nicht besser laufen. Dabei fiel ihm ein, dass der Zwischenfall bei den Reißenbergers zumindest einen Vorteil hatte: Sie waren tatsächlich bereit, ein zweites Mal eine ordentliche Summe Geld in die Hand zu nehmen. Und das kurz nachdem sie ihr erstes Mädchen vom Küchenboden gekratzt hatten. Was für coole Säue , dachte Tariq amüsiert. Er war immer wieder überrascht, wie schwarz die Herzen dieser scheinbar so sauberen Bürger doch waren. Offenbar hatten sie die Vorteile seiner Arrangements genossen und konnten in Zukunft nicht mehr darauf verzichten. Die Kripo würde ihnen nichts anhaben können – hoffte er zumindest. Keine Leiche, keine Ermittlungen, keine Schwierigkeiten, die das Geschäft störten. Doch etwas nagte an ihm.
Erst Ileana, dann Yulia. Beide mit durchgeschnittener Kehle. Hingen die Morde miteinander zusammen? Hatte es etwa jemand auf ihn abgesehen?
Das konnte nicht sein. Mit Ileana hatte der Mörder ihm zwar geschadet – er musste sich Ersatz für sie besorgen –, doch bei Yulia lag die Sache anders. Sie hatte ihm gar nicht mehr gehört. Nein, es musste ein Zufall sein, der keinen weiteren Gedanken lohnte, und damit basta!
Er lächelte in sich hinein, als er in die Barmbeker Straße einbog. Das schwere Motorrad, das ihm entgegenkam, beachtete er nicht. Er bemerkte auch nicht, dass der Fahrer kaum ein paar Meter weiter die Maschine herumriss, um sich an seine Fersen zu heften. Das Zweirad blieb unauffällig ein paar Wagen hinter dem BMW , bis dieser vor einem heruntergekommenen Haus anhielt.
Der Sonntag neigte sich dem Ende zu. Es war einer der wenigen sonnigen Herbsttage in Hamburg gewesen, ohne eisigen Wind und ohne einen einzigen Regenschauer, und Sabine war dafür – wem auch immer – dankbar, denn nichts konnte einen Tag mit einem lebhaften Kind und einem noch lebhafteren Setter anstrengender machen als schlechtes Wetter. So waren sie am Ufer der Außenalster entlangspaziert, hatten die grauen Gänse und Schwäne mit Toastbrot gefüttert, bis Julia fürchtete, das Übergewicht würde sie untergehen lassen. Sie waren um die Wette gelaufen, hatten Hüpfspiele gemacht und sich mit anderen Hundebesitzern angelegt, die meinten, ihre Vierbeiner sollten nicht mit dem fremden Hund spielen. Unterwegs hatte es Crêpes mit Nussnougatcreme gegeben und ein paar Hundekekse für Leila. Am Nachmittag waren sie – auf Julias ausdrücklichen Wunsch – zum Hafen gefahren und hatten die Fähre nach Blankenese genommen. Das Mädchen liebte es, mit dem Schiff zu fahren, und war die ganze Zeit aufgeregt von einer Reling zur anderen gelaufen.
In Blankenese angekommen, wollten sie gerade im Strandhotel einen Kakao trinken gehen, als ihnen Rosa Maschek entgegenkam. Die alte Dame strahlte übers ganze Gesicht, als sie Julia und Leila wiedererkannte. Sie umarmte zuerst Julia, kraulte der aufgeregt winselnden Leila die Ohren und wandte sich dann der Kommissarin zu.
»Sabine, wie schön, Sie zu sehen. Ich habe mich schon gefragt, wie es Ihnen geht. Ganz prächtig, offenbar!«
Sabine spürte einen Hauch von schlechtem Gewissen. Sie hatte es sich den Sommer über angewöhnt, die alte Dame regelmäßig zu besuchen, doch seit sie ins Präsidium zurückgekehrt war, hatte sie das Gefühl, nicht einmal mehr zum Luftholen zu kommen.
»Ja, danke, es geht mir gut. Ich wollte mich schon seit Tagen bei Ihnen melden … «
Die alte Dame unterbrach sie mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Aber Sie haben jetzt wieder viel zu tun, nicht wahr? Man sieht es Ihnen an, Ihre Arbeit scheint Ihnen gut zu bekommen.«
Die Kommissarin nickte. »Ja, es ist schön, wieder dazuzugehören und gebraucht zu werden.«
Rosa Maschek lächelte. »Das glaube ich gern. Die Zeit scheint plötzlich schneller zu fließen. Wie zäh kann sie auf der anderen Seite werden, wenn man sich langweilt und nichts mit ihr anzufangen weiß.«
Sabine fragte sich, ob sie von sich selbst sprach. Sie war nun schon so viele Jahre allein, und ihre einzige Aufgabe war, die Villa am Baurs Park sauber zu halten, die der Vampir in seinen Besitz gebracht hatte – wie, wollte Sabine gar nicht so genau wissen.
Rosa Maschek beugte sich wieder zu Julia herab. »Ich glaube, ich habe geahnt, dass ich euch heute treffe, denn ich habe heute Morgen Kuchen gebacken. Was hältst du von einem Stück Schokoladenkuchen mit viel Sahne?«
Weder Julia noch Leila hatten irgendetwas gegen ungesunde Leckereien einzuwenden, und so
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