Engel der Verdammten
Dach.‹
Ich schaute ihm in die hellen, verschleierten Augen. Ich hasse dich. Glaubst du, ich habe darum gebeten, zu diesem Ding zu werden? Warst du jemals jung? Waren dein Haare je so schwarz und deine Lippen so frisch ?
Er reagierte nicht, aber er hatte mich gehört.
›Setz dich dort hin‹, sagte er zu seinem Enkel und wies auf den nahebei stehenden Ledersessel. ›Setz dich hin und schreib die Schecks aus, so wie ich es dir sage. Und dann ist dieses Ding da dein - und alles, was ich darüber weiß.‹
Beinahe hätte ich laut aufgelacht. Das war es also! Das war es! Er wusste, dass ich hier war, und doch verschacherte er mich an diesen Enkel, den er so verachtete. Das war also sein schrecklicher Preis für alles, was ihm und seinem Gott je an Ungerechtigkeiten von seinem Enkel widerfahren war. Er wür-de mich in die Hände seines ahnungslosen Enkels geben. Ich glaube, ich lachte wirklich, aber lautlos, gerade, dass er es sehen konnte, vielleicht ein Augenzwinkern und meine ge-kräuselten Lippen, und ich schüttelte den Kopf über seine Schlauheit, seine Kälte und sein liebloses Herz.
Gregory trat zurück, bis er an den Sessel stieß; Leder blätterte bröckelnd ab, als er sich setzte. Erregung hatte ihn überwältigt.
›Nenne deinen Preis.‹
Ich muss wohl bitter, wissend gelächelt haben. Doch ich war ruhig. Mein einstiger Gott wäre stolz auf mich gewesen. Gut gemacht, mein Tapferer, gib es ihnen! Was hast du zu verlieren? Du glaubst, dein Gott sei barmherzig? Höre nur, was sie für dich vorgesehen haben. Aber wer nur hatte diese Worte gesprochen vor vielen, vielen Jahren? Wer nur? Wer war da an meiner Seite gewesen und hatte, von Liebe erfüllt, versucht, mich zu warnen? Ich fixierte Gregory. Ich wollte mich nicht ablenken lassen, mich nicht in dieses schmerzliche Netz verwickeln, ich wollte diesem Rätsel auf den Grund gehen.
Das Rätsel meiner Existenz konnte warten.
Ganz leicht drückte ich meine Fingernägel in das feste Fleisch meiner Handfläche. Ja, ich bin hier, bin real. Du bist hier, Asrael, ob der Alte dich nun verachtet oder nicht, ob der Jüngere nun ein Mörder oder ein Dummkopf ist und ob du nun ein weiteres Mal verschachert wirst, als habest du keine eigene Seele gehabt, jetzt nicht und niemals. Du bist hier und nicht in den Gebeinen dort in der Truhe!
Ich tat so, als sei mein Gott hier. Wir standen nebeneinander.
Hatte ich das nicht auch schon bei früheren Gebietern gemacht? Hatte einfach meinen Gott nahe zu mir geholt, ohne es ihnen je zu sagen? Aber war er je tatsächlich gekommen?
In einem rauchigen Nebel sah ich meinen Gott, der sich abwandte und um mich weinte. Das war in einem Gewölbe, und von einem kochenden Kessel stieg Hitze auf! Mein Gott, hilf mir! Doch dies war ein Bild ohne Rahmen. Es war etwas Un-sägliches, das ich nie wieder durchmachen wollte. Ich musste die Dinge in diesem Raum im Auge behalten.
Gregory zog eine längliche Hülle aus seiner Tasche. Er legte sie geöffnet auf ein Knie, in der rechten Hand hielt er einen goldenen Stift.
Der alte Mann nannte Summen in amerikanischen Dollars. Er nannte die Gruppen, denen die Beträge zukommen sollten.
Hospitäler, Schulen, eine Gesellschaft, die das Geld weiterlei-ten würde an die Thoraschule. Auch die Gemeindeverwaltung in Israel sollte etwas bekommen. Dann wurde eine neu ge-gründete Chassid-Gemeinde bedacht, die ein eigenes Dorf in den Hügeln nicht weit von hier errichten wollte. Der Rabbi gab zu alldem nur knappste Erklärungen.
Ohne eine einzige Frage hatte Gregory zu schreiben begonnen. Mit seinem spitzen goldenen Stift drückte er die Buchstaben tief in die Scheckvordrucke und schlug dann die Seite um und schrieb den nächsten und noch einen weiteren, seinen Namen schwungvoll unter jeden Scheck setzend, wie reiche Männer es für gewöhnlich tun.
Schließlich legte er die Schecks auf das Pult. Der Rabbi betrachtete sie sorgfältig. Er legte sie nebeneinander, begutachtete sie und schien doch ein wenig überrascht.
›Du würdest mir so viel geben für etwas, von dem du nichts weißt und nichts verstehst?‹, fragte er.
›Sein Name waren die letzten Worte, die meine Tochter sprach.‹
›Nein! Du willst dieses Ding, du willst seine Macht!‹
›Warum sollte ich an diese Macht glauben? Ja, ja, ich will es.
Ich will es schon. Rauskriegen, wieso sie davon wusste, und ja, ja, ihr bekommt das Geld.‹
›Ziehe die Schriftrolle unter den Ketten hervor, und gib sie mir.‹
Eifrig wie ein Schuljunge
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