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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nährenden Brust und verkündet, dass er zu etwas Besonderem bestimmt sei - über Athen zu herrschen, oder über Sparta oder Milet, über Ägypten oder Babylon. Welche Dummheit! Aber ich weiß, was hinter deiner Frage steckt. Und du solltest nun besser gut zuhören. Geh, hol die kanaanitische Tafel, und lass sie nicht fallen. Wenn du sie zerbrichst, muss ich sie wieder zusammenfügen, und du wirst es schmerzlich bereuen.‹
    ›Hm. Es ist ein Leichtes für dich, mich zum Weinen zu bringen, nicht wahr?‹
    ›Offensichtlich‹, gab er zurück. ›Hol die Tafel. Zögere nicht.
    Wir haben heute noch eine Reise vor uns. Wenn du mich zu den nordischen Steppen bringen konntest, zu dem Gebirge, in dem ich den alles überragenden Berg der Götter vermutete, dann kannst du mich auch zu anderen Orten bringen. Ich möchte heim nach Athen. Ich möchte mein Athen durchstrei-fen. Geh nun, mächtiger Geist, bringe mir die Tafel. Beeile dich. Unwissenheit nützt niemandem. Also habe keine Angst.‹«

    12

    »Ich nahm die Tontafel an mich, obwohl sie Widerwillen und Hass in mir erzeugte. Der Hass erschütterte mich. Das Gefühl war so intensiv, dass ich einen Moment lang wie erstarrt dastand. Zurvans Stimme löste mich aus diesem Zustand. Er ermahnte mich noch einmal, die Tontafel nicht zu zerbrechen, und erinnerte mich, dass die Schriftzeichen darauf so winzig seien; ein fehlender Splitter könne den Inhalt verfälschen, es sei aber wichtig, dass ich den genauen Wortlaut erführe.
    ›Wozu das?‹, fragte ich.
    Ich deutete fragend auf ein paar Polster, die ich im Haus liegen sah. Ich wollte wissen, ob ich eins mit in den Garten nehmen dürfe, damit ich mir nicht das Gewand beschmutzte, wenn ich mich zu seinen Füßen niederließ. Er nickte.
    Ich setzte mich mit gekreuzten Beinen. Zurvan saß, ein Knie angezogen, m seiner bevorzugten Haltung auf dem Ruhebett, und hielt nun die Tafel, um sie besser lesen zu können, vor sich ins helle Sonnenlicht. Dieses Bild sehe ich noch heute ganz lebendig vor mir, vielleicht, weil die Wand so blendend weiß war mit den leuchtend roten Blüten davor, und dann der knorrige, alte, stark verzweigte Olivenbaum und ringsum das grüne Gras, dessen weiche Halme zwischen den Fugen der Marmorfliesen sprossen. Wie gern ich doch die Hand darüber-gleiten ließ, und wie sehr ich es genoß, meine Handfläche auf den Marmor zu legen und die in ihm gespeicherte Wärme der Sonne zu spüren.
    Und natürlich erinnere ich mich auch voller Liebe an Zurvan; da saß er, genügsam, alterslos, seine weite, lange, griechische Tunika, deren Goldfäden an den Kanten schon ganz ver-schlissen waren, hing an seiner knochigen Gestalt, und seine blauen Augen glitten über die Tontafel, die er von Zeit zu Zeit dicht vor seine Augen hielt und dann wieder mit ausgestreck-tem Arm betrachtete. Ich denke, er hat wohl jedes einzelne, noch so kleine Wort in sich aufgenommen, das da in länglichen Keilschriftformationen eingeritzt stand. Ich hasste die Tafel.
    ›Du bist unter den Händen kompletter Idioten in die Geisterwelt geschlüpft‹, sagte er. ›Dies hier ist ein uralter kanaanitischer Zauberspruch, mit dem man einen machtvollen, bösen Geist heraufbeschwören kann, einen Diener des Bösen, schrecklich und übel wollend, so böse wie der Schlimmste unter den bösen Geistern, die Gott je in die Welt senden könnte. Mit dieser Formel konnte ein Magier einen Mal'ak erschaffen, so stark wie den, den Jahwe sandte, um die Erstge-borenen der Ägypter zu erschlagen.‹
    Ich war wie betäubt und antwortete nicht. Ich kannte viele Übersetzungen dieser Geschichte von der Flucht der Israeliten aus Ägypten, und ich hatte ein Bild des Mal'ak gesehen, dieses feurigen Engels, entsprungen dem Zorn Gottes.
    ›Die Kanaaniter betrachteten dieses Wissen als gefährlich.
    Schon vor tausend Jahren, wenn das Datum korrekt ist, ver-siegelten sie es deshalb in dieser Tafel. Es war schwarze Magie, Magie des Bösen, Magie wie die, die die Hexe von Endor ausübte, als sie für König Saul den Geist Samuels beschwor.‹
    ›Ich kenne die Geschichten‹, murmelte ich.
    ›Dieser Magier hier wollte seinen eigenen Mal'ak schaffen, der ebenso mächtig sein sollte wie Satan oder ein gefallener Engel oder einer der bösen Geister, die einstmals an der Macht Jahwes teilhatten.‹
    ›Ich verstehe.‹
    ›Es ist hier sehr genau beschrieben, was man beachten muss.
    Der Anwärter für den Mal'ak muss durch und durch böse sein, ein Widersacher Gottes und alles

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