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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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nur dass ich ganz entsetzliche Furcht davor hatte. Ich glaube, dass mein Geist seinen Körper verließ, ehe der Schmerz richtig einsetzte.
    Ich glaube, ich konnte das einfach nicht ertragen; alles war ein großes Durcheinander. Ich war umgeben von schwachen, ei-gennützigen Leuten. Jegliche Größe, die dem Anlass innewohnte, war dahin. Jegliche Majestät war dahin. Ja, ich hatte irgendetwas getan, das andere von mir verlangt hatten, doch es schien alles so verworren, grausam verschwommen, und in mir hatte Verwirrung geherrscht.‹
    ›Doch was du getan hattest und was dir so undeutlich nur bewusst ist, das barg eine gewisse Größe in sich?‹
    ›Ja, ich denke schon. Da war das Gefühl, ein großes Opfer gebracht zu haben, einem großen Zweck gedient zu haben.
    Ich erinnere mich an Rosenblätter, an ein langsames, dem Einschlafen gleiches Sterben, dessen tiefster Schmerz darin lag zu wissen, dass es unumkehrbar war, dass es sich lange hinziehen würde, doch dass es sich nicht rückgängig machen ließ. Ich weiß nicht, warum mir das Wort Größe einfällt. Was sagte Kyros denn dazu?‹
    ›Nicht genug, scheint mir. Doch wenn man der Tafel Glauben schenkt, kann man dich nicht vernichten. Denn vernichtet man die Knochen, lässt man dich damit, einer Plage gleich, unkontrolliert auf die Welt los, dann wirst du dich an allem Lebendigen rächen.‹
    Verzweiflung senkte sich über mich. Eine so tiefe Verzweiflung, wie sie der Geist, der ich noch vor einigen Stunden war, unmöglich hätte fühlen können. Als ich aufwärts gestiegen war zu jenen Wesen mit den freudig strahlenden Gesichtern, als ich den Schimmer gleißenden Lichts gesehen hatte, da war mir Verzweiflung noch fremd gewesen! So fremd, wie sie einem Kind fremd ist, das man von einer Schale voller Süßigkeiten fern hält. Nun hatte ich sie kennen gelernt.
    ›Ich möchte sterben‹, flüsterte ich. ›Ich möchte wirklich sterben, wie es vorgesehen war, ehe sie mir dies antaten, sie, diese Bande irregeleiteter Schwachköpfe! Ehe sie diesen Furcht erregenden Zauber an mir erprobten. Oh, diese Idioten!
    O Gott!‹
    ›Sterben?‹, fragte Zurvan. ›Und umherirren zwischen den dümmlichen Toten? Ein Dämon sein unter grollenden Geistern, ein widerwärtiger Feind alles Guten, der Tod und Qual bringt?‹
    ›Nein, einfach nur sterben, als läge ich in den Armen meiner Mutter, sterben, um in der guten Mutter Erde zu liegen, und wenn ich, selbst ein Licht nur, mit dem ewigen Licht ver-schmelze, wenn es den Himmel gibt, dann geschieht es eben so, doch ist es anders, dann will ich einfach sterben und nur in der Erinnerung derer weiterleben, denen ich je etwas Gutes, eine Freundlichkeit, etwas Liebes erwiesen habe, und ...‹
    ›... und was?‹
    ›Ich wollte sagen, dass man sich wegen der Dinge, die ich zur Ehre Gottes getan habe, an mich erinnern soll, aber eigentlich ist mir das jetzt gleichgültig. Ich will einfach nur sterben. Im Augenblick wünsche ich eher, dass Gott mich in Ruhe lässt.‹
    Ich stand auf und schaute auf Zurvan nieder.
    ›Hat Kyros dir geschrieben, wer ich in meinem vorherigen Leben war? Wie er mich kennen lernte?‹
    ›Nein. Du kannst seinen Brief selbst lesen. Er schreibt nur, dass deine Macht für jeden anderen Magier als mich zu groß ist, und dass er dir gegenüber eine große Schuld abzutragen hat, dass er für deinen Tod verantwortlich war.‹
    Er hielt inne und zupfte sinnend an seinem Bart.
    ›Natürlich wird der Herrscher über die Welt nicht in einem Brief zugeben, dass er selbst Furcht vor diesem Geist hatte und ihn so weit fort von sich wünschte wie nur irgend möglich, aber da war immerhin dieser, sagen wir doch, Anklang in seinem Brief.
    Weißt du, so etwas wie: »Ich kann diesen Geist nicht lenken.
    Ich wage es nicht. Und doch verdanke ich ihm mein Königreich.«‹
    ›Ich weiß nicht, ob er mir etwas schuldet. Ich weiß nur, ich bat darum, irgendwohin geschickt zu werden ... ich erinnere mich ...‹
    ›Ja?‹
    ›Von allen verlassen gewesen zu sein.‹
    ›Nun, mir scheint, diese Schwachköpfe haben keinen Dämon geschaffen. Sie haben eher etwas wie einen Engel geschaffen.‹
    ›Einen Engel der Macht‹, sagte ich. ›Du hast dieses Wort selbst gebraucht. Kyros auch. Marduk benutzte es ...‹ Ich brach ab, war über den Namen Marduk gestolpert, doch in meinem Gedächtnis fand sich kein logischer Hinweis, wieso mir das Wort über meine Lippen gekommen war.

    ›Marduk, der Gott Babylons?‹, fragte Zurvan.
    ›Spotte nicht

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