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Engel der Verdammten

Engel der Verdammten

Titel: Engel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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seiner, er leidet‹, murmelte ich, zu meinem eigenen Erstaunen.
    ›Willst du Rache nehmen an denen, die dir dies antaten?‹
    ›Ich habe mich gerächt. Alle, die dabei waren, sind meiner Ansicht nach tot. Es war der Priester, der das angezettelt hat, und er ... und die Alte, die Hexe, die Seherin ... sie starben. Ich weiß nicht... Ich wusste, nur Kyros könnte mir helfen, und ich wusste, dass ich ein Recht darauf hatte, in seine Gemächer zu gehen, dass er mir zuhören würde. Nein, ich suche keine Vergeltung. Nein. Ich kann mich nicht an genügend Einzelheiten erinnern, um Vergeltung zu wollen, genauso wenig, wie ich dem Leben nachtrauere. Nein. Ich will etwas anderes ... sterben ... ausruhen, schlafen, tot in süß duftender Erde liegen ...
    oder das Licht erblicken, eins damit werden, ein winziger Funke von Gottes Licht, zurückgekehrt in Seine Flamme. Doch den Tod wünsche ich mir am meisten, mehr noch als das Licht. Nur die Ruhe des Todes.‹
    ›Das willst du jetzt, in diesem Moment‹, sagte Zurvan. ›Doch du hast nicht danach verlangt, als du durch die Stadt wandertest oder das Reich der Geister durchforschtest oder mir die Schriftrollen besorgtest. Auch nicht, als du dich das erste Mal in diesem Garten niederließest und immer wieder deine Hand über das Gras gleiten ließest.‹
    ›Das war so, weil du ein guter Mensch bist‹, gab ich zurück.
    ›Nein, das liegt daran, dass du ein guter Mensch bist. Oder warst. Und deine Güte brennt nach wie vor hell in dir. Seelen, die sich nicht an ihr irdisches Dasein erinnern können, sind gefährlich. Du erinnerst dich ... darüber hinaus erinnerst du dich nur an das Gute.‹
    ›Nein, ich sagte dir doch, wie sehr ich sie hasse.‹
    ›Ja; aber die, die du hasst, sind fort, sie verschwinden schnell aus deinem Gedächtnis. Du kannst dich nicht einmal mehr an ihre Namen erinnern, an ihre Gesichter ... du hasst sie nicht.
    Doch du erinnerst dich des Guten. Letzte Nacht sagtest du zu mir, dass du Gold in deinen Taschen fandest. Was hast du damit gemacht? Du hast es mir nicht gesagt.‹
    ›Nun, ich habe es einer armen, hungernden Familie gegeben, damit sie sich etwas zu essen kaufen konnten.‹
    Ich schloss meine Hand sacht um die Grashalme, die zwischen den gesprungenen Marmorplatten sprossen und betrachtete die zarten grünen Spitzen. ›Du hast Recht. Ich erinnere mich an das Gute, ich weiß, wie es ist, gut zu sein.
    Und ich sehe und fühle dieses Gute um mich herum ...‹
    ›Dann will ich dich alles lehren, was nur möglich ist‹, sagte Zurvan. ›Wir werden reisen. Wir werden nach Athen gehen und von dort aus nach Ägypten. Ich bin noch nie sehr weit ins Innere Ägyptens gereist. Das will ich jetzt tun. Wir werden deine magischen Kräfte zum Reisen nutzen. Vielleicht reisen wir auch manchmal auf die normale Art, denn du bist ja ein sehr starker Wächter. Du musst dir alles einprägen, was ich dich lehre ... du hast eine Schwäche, du neigst dazu, schmerzlichen Erfahrungen aus dem Weg zu gehen, indem du sie einfach vergisst; und es wird dich schmerzen, wenn ich einst sterbe.«
    Er versank in Schweigen. Ich denke, er hatte seine Belehrun-gen fürs Erste beendet. Er schloss die Augen. Doch ich hatte noch eine weitere dringliche Frage.
    ›Dann heraus damit, ehe ich einschlafe.‹
    ›Die Kanaaniter, die sich den Zauber ausdachten, waren sie Hebräer?‹
    ›Nicht eigentlich«, antwortete er. ›Nicht so, wie du Hebräer bist. Ihr Jahwe war einer von vielen Göttern, wohl der stärkste, ein Kriegsgott, wie es scheint. Sie waren ein Volk der Vorzeit und glaubten nebenbei auch an andere Götter. Bist du darüber froh?‹
    Meine Gedanken waren abgeschweift. ›Ich glaube schon‹, sagte ich jetzt. ›Ja, doch. Aber nun gehöre ich ja keinem Stamm mehr an. Meine Bestimmung ist nun, den besten unter den Lehrmeistern anzugehören, denn ohne sie vergäße ich vielleicht alles, triebe nur noch dahin ... vergäße vielleicht sogar, zu hören und zu sehen und zu fühlen ... und ich will nicht tot daliegen und nur darauf warten, dass mich jemand beschwört, hervorruft.‹
    ›Ich werde nicht mehr lange leben«, sagte Zurvan. ›Ich werde dich jeden Trick lehren, den deine Macht und deine Fähigkeiten dir auszuführen erlauben, ich werde dich lehren, wie man Menschen durch Illusionen in die Irre führt, wie man mit Worten und Gesten einen Zauber über sie verhängt... denn mehr ist es nicht... denke daran ... Worte, Gesten ... das Abstrakte macht es ... nicht die

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