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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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Es roch nach Motel.
    Ich saß vornübergebeugt auf einem Stuhl. Mein Kopf schien immer noch in Äther zu schwimmen, während Gedanken wie ehrgeizige Kleinkinder mit wackeligem Gang vorwärtsdrängten. Ich versuchte mich richtig hinzusetzen, doch ohne Erfolg. Das erschreckte mich, bis ich merkte, dass ich mit Händen und Füßen an die vorderen Beine eines Stuhls gefesselt war. Das flößte mir einen weiteren Schrecken ein.
    Ich versuchte nicht weiter, mich aufzurichten, und drehte stattdessen den Kopf. So heftig zuckte der Schmerz vom Kopf direkt in die Schulter, dass ich beinahe aufgeschrien hätte. Eigentlich gab es keinen Grund, mich zurückzuhalten. Doch wer sich an einen Stuhl gefesselt in einem dunklen Zimmer wiederfindet, der will nicht unnötig Aufmerksamkeit erwecken.
    Ich wartete eine Weile. Vor meinen Augen erloschen glitzernde Sterne. Dann versuchte ich es noch einmal, diesmal langsamer. Im Zimmer war es sehr dunkel, eine Dunkelheit, wie es sie nur weit entfernt von allen städtischen Lichtquellen gibt. Mein Herz pochte heftig, als ich eine Gestalt neben dem Fenster stehen sah.
    Meine Lippen lösten sich mit einem vernehmlichen Geräusch voneinander, aber sprechen konnte ich nicht. Ich behielt den Kopf oben und die Augen weit geöffnet und erkannte schließlich, dass die Gestalt neben dem Fenster gar nicht stand, sondern mit untergeschlagenen Beinen auf einem Tisch saß.
    Schließlich gelang es mir doch zu sprechen. »Paul?«
    »Der doch nicht«, antwortete eine Männerstimme. »Meinst du etwa, du wärst noch am Leben, wenn der hier wäre?«
    In dem Augenblick gab ich im Stillen alle Hoffnung auf. Schlagartig. Wie uns der Schütze aus dem Restaurant in Fresno gefunden hatte, war mir schleierhaft. Aber ein zweites Mal würde ich nicht davonkommen, so gefesselt an einen Stuhl. Wo Nina jetzt wohl war? Hoffentlich lebte sie noch, und wenn nicht, wollte ich es niemals erfahren.
    Ein leises Rascheln drang an meine Ohren. Es war das Gleiche, das ich gehört hatte, als ich wieder zu Bewusstsein gekommen war.
    Es kam von dem Mantel, als der Mann vom Tisch herabglitt.
    Er trat an mich heran, blieb kurz stehen und schaute auf mich herunter. Dann kauerte er sich vor mich, so dass sein Gesicht nahe an meinem war.
    »Hallo, Ward.«
    »Du Sack.«
    Es war John Zandt.
     
    Er saß auf dem Bettende und schaute mich an, ohne aber Anstalten zu machen, die Fesseln zu lösen.
    »Wo ist Nina?«
    »Nebenan. Gefesselt wie du und mit einem ›Bitte-nicht-stören‹-Schild an der Tür.«
    »Sie wird schreien, wenn sie aufwacht. Du glaubst nicht, wie laut sie schreien kann.«
    »Geknebelt wie sie ist, wohl kaum. Und falls du zum Schreien tief Luft holst, verpasse ich dir einen Schlag, dass du eine Woche lang nicht aufwachst oder auch gar nicht mehr.«
    »Was tust du eigentlich, John? Was ist los mit dir?«
    »Gar nichts«, sagte er. »Ich will nur nicht, dass du mir ins Handwerk pfuschst.«
    »Welches Handwerk denn? Töten?«
    »Wen glaubst du denn habe ich umgebracht?«
    »Peter Ferillo zum Beispiel.«
    Er zog hörbar Luft durch die Nase ein. »Ja. Den habe ich umgebracht.«
    »Und wen noch?«
    »Wieso meinst du, dass es noch mehr sein könnten?«
    »Warum würdest du sonst fragen? Hast du die Frauen umgebracht? Hast du Jessica und Katelyn umgebracht, um es Paul heimzuzahlen?«
    »Hör auf, ihn so zu nennen. Er verdient keinen Namen.«
    »Er hat aber einen. Finde dich damit ab. Hast du die Frauen umgebracht oder nicht?«
    »Glaubst du wirklich, ich könnte eine Frau umbringen?«
    »Wieso nicht? Warum ist es eher recht, einen Mann umzubringen? Seit wann machst du solche Unterschiede? Zwischen dir und Paul ist keine große Kluft. Du hast das Mädchen, das bei Ferillo war, so hart geschlagen, dass sie davon eine Gehirnerschütterung hat. Wo ordnest du das auf deiner moralischen Skala ein?«
    »Das war nicht geplant. Ich wusste, was ich zu tun hatte, um Ferillo zum Sprechen zu bringen, ich war bloß zu aufgeputscht. Ich habe sie an einen Ort gebracht, wo man sie rasch finden würde.«
    »Du bist ein Schatz. Und nachdem Ferillo gesungen hatte, musste er sterben.«
    »So ist es. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass er während seiner Zeit in L.A. bei der Lieferung junger Mädchen an mordlustige Kunden geholfen hat. Er mag ja gedacht haben, dass die Mädchen nur dazu bestimmt waren, auf den Strich geschickt zu werden – das behauptete er jedenfalls. Aber wenn du mich fragst: Auch das wäre schlimm genug gewesen.«
    Ich sah John an,

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