Engel des Todes
Das berechtigte ihn, mittels einer Webcam in Jessicas Wohnung zu schauen, wo die junge Frau oft nackt zu sehen war.«
Die andere antwortete mit gepresster Stimme: »Alles das ist mir bekannt.«
»Schön. Würden Sie von Ihrem Mann sagen, dass er technisch versiert ist?«
»Was meinen Sie damit?«
»Ob er sich mit Computern auskennt. Wie ich sehe, hat er mehrere in seinem Zimmer. Versteht er etwas davon?«
»Sicherlich. Er bringt meinen wieder zum Laufen, wenn etwas nicht mehr funktioniert. Aber …«
»Danke. Ich kann Ihnen sagen, dass Ihr Mann nicht zu den Verdächtigen zu gehören scheint. Wir sind ja froh, dass Sie uns beide entgegenkommen und uns weiterhelfen. Deshalb sitzen wir auch ganz zivilisiert beisammen, ohne die großen Scheinwerfer. Bis jetzt. Ich möchte Ihnen nur noch ein paar weitere Fragen stellen, dann sind wir mit Ihnen fertig. Ja? Gut, Sie haben zu Lieutenant Olbrich gesagt, Ihr Mann sei am Dienstagmorgen gegen sieben Uhr fünfundvierzig zur Arbeit gegangen. Ist das richtig?«
»Nein«, widersprach die Frau kalt. »Ich habe ausgesagt, dass Greg genau um diese Uhrzeit das Haus verlassen hat.«
»Wie können Sie sich da so sicher sein?«
»Greg verlässt immer um Viertel vor acht das Haus. Das ist seine Zeit.«
»Aber manchmal ist es vermutlich etwas näher an acht Uhr und manchmal etwas früher. Ihr Mann arbeitet auch beim Fernsehen. Ich nehme an, an manchen Tagen muss er auch eher dort sein. Er arbeitet schließlich nicht nach der Stechuhr, oder?«
»Das ist richtig, aber …«
»Also hat er manchmal zeitigere Termine.«
»Ja, selbstverständlich.«
»Während er also gewöhnlich um sieben Uhr fünfundvierzig zur Arbeit geht, verlässt er an manchen Tagen das Haus auch um sieben Uhr fünfzehn oder etwas später. Woher wissen Sie so genau, dass er an dem fraglichen Morgen zu seiner üblichen Zeit gegangen ist?«
Die Frau sah verärgert aus. »Weil ich es eben weiß. Eine Frage, Ms. Baynam. Sind Sie verheiratet?«
»Nein«, antwortete Nina. Ihre Temperatur stieg noch einmal um ein Grad.
»Das habe ich mir gedacht. Wenn Sie es wären, dann wüssten Sie nämlich, wovon ich spreche. Wer verheiratet ist, kennt das Leben seines Partners. Vielleicht zu genau. Man hat das eigene Leben und das des Partners zur Hälfte noch obendrein. Ich weiß, wann Greg viel zu tun hat, wann alles drunter und drüber geht und plötzlich ein Termin den anderen jagt. Nein, ich habe seinen Terminkalender nicht im Kopf und kann auch nicht auf die Minute genau sagen, was ansteht. Aber ich weiß, wie sein Leben läuft.«
»Ja, dann … entschuldigen Sie, dann wussten Sie also auch von diesem Abonnement? Sie wussten, dass er viel Zeit damit verbrachte, mit einer Webcam Frauen beim Ausziehen und beim Sex zu beobachten?«
»Nein, das wusste ich nicht, aber das ist …«
Nina fiel ihr ins Wort. »… etwas anderes. Natürlich. Sie wissen alles über Greg, abgesehen von diesen Dingen, und das ist ja ganz verständlich. Männer sind in dieser Hinsicht geheimniskrämerisch. Man kann nicht erwarten, dass Sie als Ehefrau auch darüber Bescheid wissen. Vielleicht gibt es auch das eine oder andere in Ihrem Leben, von dem Ihr Mann nichts weiß. Das muss wohl so sein in einer Ehe, soweit ich das von meinem Standpunkt in der dunklen, kalten Welt des Single-Daseins überhaupt vermuten kann.«
»Das meinte ich nicht …«
»Nein, selbstverständlich nicht. Aber abgesehen von diesen Details würden Sie behaupten, Ihren Mann, sein Leben und seinen Zeitplan zu kennen.«
»Ja, gewiss.«
»Ausgezeichnet. Sie haben mir sehr geholfen, Mrs. McCain.« Die Türklingel läutete auf der anderen Seite des Hauses. »Die Kavallerie scheint angekommen zu sein«, sagte Nina. »Mein Kollege ist sicherlich auch mit Ihrem Mann fertig, also verlassen wir Sie gleich.«
Nina lächelte freundlich und wandte sich zum Gehen.
Dann drehte sie sich noch einmal um und fragte, als ob sie den Namen des Innenarchitekten erfahren wollte: »Was hat Ihr Mann am Montagabend gemacht?«
Die Frau sah sie entgeistert an. »Wie bitte?«
»Soweit Sie über seinen Terminkalender Bescheid wissen, was hat er am Montagabend gemacht?«
»Er …«
Die Frau, von der unerwarteten Frage überrascht, hatte zu lange mit der Antwort gezögert. Nina hatte eine Bresche in eine unzureichende Verteidigung geschlagen. »War er an jenem Abend außer Haus?«
»Ja, er … er hatte einen Termin. Einen späten Termin.«
»Wie spät konnte das gewesen sein?«
»Ich
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