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Engel des Todes

Engel des Todes

Titel: Engel des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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jetzt Bars, die wie Erholungszentren für zukunftsorientierte Mitarbeiter führender multinationaler Unternehmen aussehen. Ich war neulich in einer Bar, wo es tatsächlich nach Lavendel gerochen hat. Ist das nicht pervers? Dass es nicht mehr nach Tabakrauch riecht, ist schon schlimm genug, aber nach Lavendel? Drinnen kann es nicht frischer riechen als draußen, leuchtet das nicht jedem ein? Man wird die Angst nicht dadurch los, dass man alles Angsteinflößende verbannt.«
    Das Problem liege zum Teil daran, fuhr ich fort, und meine Stimme tönte nun mindestens so nervtötend wie die meiner Nachbarn, dass ich mich noch an eine Welt erinnern könne, in der keiner joggte. Laufen ist zur modernen Form des Almosengebens geworden. Laufen ist Weisheit, Laufen ist das Gute schlechthin, unser Weg zur Rechtfertigung im religiösen Sinne. Laufe, und alles wird gut. Hätten wir in der katholischen Kirche etwas zu sagen, dann hätten bei Heiligsprechungsverfahren die Kandidaten die meisten Chancen, die am längsten in Laufschuhen zugebracht haben. »›Gewiss, Pater Brian hat viel Gutes getan und Seelen gerettet, aber wie lautet seine Bestzeit über eine Meile? Pater Nate? Der kommt gar nicht in Betracht. Der Mann hat in seinem ganzen Leben keinen Halbmarathon gelaufen.‹ Wir haben jeden Sinn für Maß und Vernunft verloren. Unterdessen betrachten uns die Menschen in den anderen Ländern der Welt, die nicht über so viel Zeit und Muße für solchen Humbug verfügen, immer böser, weil wir so tun, als ob das ganze Spielfeld uns gehöre. Doch was kümmert uns das? Eine neue Schlankheitsdiät ist im Gespräch. J-Lo hat sie ausprobiert – sieht sie jetzt nicht toll aus? Wen interessiert schon, was in irgendwelchen Drecklöchern passiert, wo die Leute nicht mal Englisch sprechen. Das Leben ist wunderbar! Hol dir einen koffeinfreien Zinfandel!«
     
    Mir gingen zur gleichen Zeit die Puste und die Getränke aus. Erst jetzt merkte ich, dass mich junge Leute an den Tischen neben uns anstarrten, als ob ich das dreiteilige Aufsatzschema in Frage gestellt hätte.
    »Leckt mich doch«, blaffte ich sie an. Alle wandten sich ab.
    Sogar Nina schaute mich stirnrunzelnd an. »Du hast nicht zu viel Prozac genommen?«
    »Die Welt ist im Arsch«, murmelte ich verlegen. »Keiner bleibt verschont. Zeit für Armageddon.«
    »Ja, ich weiß noch, wie man sich mit fünfzehn fühlt. Beruhige dich, das geht vorüber.« Sie stand auf. »Komm, Ward. Ich habe einen in der Krone, und du bist stockbetrunken. Gehen wir nach Hause.«
    Ich sah die Quittung auf dem Tisch und merkte erst jetzt, dass sie irgendwann in der letzten Viertelstunde unsere Rechnung bezahlt haben musste.
    Ich glitt von meinem Barhocker und folgte ihr betreten aus dem Restaurant. Betreten, das war es, und noch etwas anderes.
     
    Nachdem uns ein Taxi bis zu Ninas Haus gefahren hatte, schlug die Wirkung des Alkohols in meinem Körper um, und ich fühlte mich matt und ausgelaugt. Während der Fahrt hatten wir kaum gesprochen, was nicht unangenehm war. Ich bestand darauf, das Taxi zu bezahlen, und geriet beim Aussteigen ziemlich ins Wanken. Nina hatte sicherlich recht. Männer sind auf ihre Weise zeitlos: Ganz gleich, wie alt ich mich bisweilen fühle, wenn es um das männliche Weltbild geht, scheine ich bei fünfzehn stehen geblieben zu sein.
    Im Haus steuerte ich geradewegs auf die Kaffeemaschine zu. Dabei kam ich an Ninas Anrufbeantworter vorbei.
    »Du hast einen Anruf bekommen«, teilte ich ihr mit.
    Nina drückte eine Taste und schaute auf die Nummer auf dem Display. »Das war Monroe.«
    Die Nachricht war kurz. Eine männliche Stimme bat sie, so rasch wie möglich zurückzurufen. Nina verdrehte die Augen, drückte aber sofort die Rückruftaste.
    »Hier ist das Büro von Charles Monroe.« Die Stimme kam laut und deutlich aus dem Lautsprecher.
    Nina nannte ihren Namen und sagte: »Ich habe eine Nachricht erhalten.«
    Die Person am anderen Ende der Leitung antwortete nicht, aber keine drei Sekunden später war die Stimme von Ninas Chef zu hören.
    »Nina, wo zum Teufel haben Sie gesteckt?«
    »Ich war aus«, sagte sie sichtlich überrascht über diesen Ton. »Warum haben Sie mich nicht auf meinem Handy angerufen?«
    »Das habe ich dreimal versucht.«
    »Dort, wo ich war, ging es recht laut zu.« Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu und fuhr fort: »Worum geht es denn?«
    »Ich habe einen Anruf vom FBI -Büro in Portland erhalten.«
    Nina machte sofort eine ernste Miene. »Ein weiterer

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