Engel für den Duke
für dich und deine Mutter herzurichten. Der Duke war sehr höflich zu mir, aber das ist alles.“ Leider, dachte sie mit einem Anflug von Schuldgefühlen.
Jocelyn musterte sie eindringlich. „Bist du sicher, Lily? Als wir ins Haus kamen, hast du seine Aufmerksamkeit erregt.“
Lily konzentrierte sich, um nicht an diesen einen Moment zu denken, diesen wunderschönen Augenblick, als der Blick des Duke auf ihr geruht hatte und für dieses eine Mal Jocelyn völlig unsichtbar gewesen war.
Es konnte unmöglich etwas bedeutet haben. Es konnte nur eine Sinnestäuschung gewesen sein.
„Du irrst dich vollkommen, Jo. Seit wann hat mir ein Mann auch nur das kleinste bisschen Beachtung geschenkt, nachdem er dir vorgestellt worden war?“
Jocelyn ließ sich aufs Bett fallen und stieß einen Seufzer aus. Lily hatte recht, und das beschwichtigte sie ein wenig. „Heute Nachmittag hat er mich geküsst.“
Lilys Magen zog sich zusammen. „Hat er das?“
„Er kann gut küssen. Auf einer Skala von eins bis zehn würde ich ihm eine Neun geben.“
Jocelyn hatte eine Skala für das Küssen? Lily wusste, dass ihre Cousine schon eine Reihe von Gentlemen geküsst hatte, aber sie hatte nicht gewusst, dass diese Gentlemen beurteilt wurden. „Hast du jemals eine Zehn geküsst?“, fragte sie.
Jo rollte sich auf den Rücken und starrte hinauf zu dem Stoffhimmel über dem Bett. „Einmal. Christopher Barclay. Er ist der vierte Sohn irgendeines obskuren Barons. Du erinnerst dich an ihn, oder? Er ist Anwalt. Aber ein junger, kein alter. Auf dem Ball des Earl of Montmart haben wir getanzt, und anschließend sind wir in den Garten gegangen. Christopher hat mich geküsst. Ich nehme an, ich hätte ihm eine Ohrfeige geben sollen, aber er ist definitiv eine Zehn.“
Vielleicht stimmte das. Aber Lily konnte nicht anders, sie dachte, falls Royal Dewar sie jemals küssen würde, dann wäre das mit Sicherheit auch eine Zehn.
Royal. Sie hatte seinen Namen noch nie laut ausgesprochen, sich aber vor einiger Zeit angewöhnt, so an ihn zu denken – als Royal, nicht Seine Hoheit oder der Duke. Es war gefährlich, das wusste sie, aber sie schien nicht anders zu können.
„Wie war der Ausritt?“; fragte sie. „Abgesehen von dem Kuss, meine ich.“
Jocelyn presste die Lippen zusammen. „Sein verdammtes Pferd hat mich beinahe abgeworfen – so war der Ausritt. Ich konnte es nicht glauben. Und er hat gar nichts gemacht.“
„Was hast du von ihm erwartet?“
„Es war ein Fehler des Pferdes. Ich habe erwartet, dass er irgendwas tut.“
Lily beachtete diesen Ausbruch gar nicht. Jo übernahm nur selten die Verantwortung, wenn irgendetwas passierte. Es überraschte Lily nicht, dass es diesmal das Pferd gewesen sein sollte. „Habt ihr über irgendetwas Interessantes geredet?“
Jocelyn zuckte die Achseln. „Er hat mich gefragt, ob ich hier glücklich sein könnte. Ich sagte, das könnte ich – wenn wir auch Zeit in London verbringen.“
Lily dachte an die Hügel, die Wälder und den Bach, der am Rand des Gartens entlangplätscherte. Sie konnte sich nichts Schöneres vorstellen, als hier auf dem Land zu leben. „Ich frage mich, wann er dich bitten wird, ihn zu heiraten.“
„Bald, denke ich. Wir werden nur eine Woche bleiben, vielleicht weniger. Mutter und ich haben entschieden, dass ein kurzer Besuch besser ist. Sie glaubt, eine sechsmonatige Verlobungszeit sei genug, um alle Vorbereitungen für die Hochzeit zu treffen. Ich bin sicher, der Duke wird um meine Hand anhalten, ehe wir nach Hause fahren.“
„Du klingst nicht gerade sehr aufgeregt.“
„Oh, das werde ich schon noch sein – sobald unsere Verlobung öffentlich bekannt gegeben wurde.“ Sie rutschte auf dem Bett höher, bis sie sich an das kunstvoll mit Schnitzereien verzierte Kopfteil lehnen konnte. „Kannst du dir vorstellen, was die Leute sagen werden? Jede Frau in ganz London wird mich beneiden.“
„Bestimmt, aber hast du schon mal über deine Gefühle für den Duke nachgedacht? Machst du dir keine Sorgen, dass du ihn vielleicht nicht lieben könntest?“
Jo lachte hell auf. „Sei nicht dumm. Ich glaube nicht an die Liebe. Außerdem kann ich mir einen Liebhaber nehmen, sobald ich dem Duke einen Erben geschenkt habe. Ich kann mir jemanden aussuchen und mich dann vielleicht in den verlieben.“
Das hörte sich so kaltherzig an. Lily ließ sich auf den Hocker vor dem Frisiertisch sinken. „Das kann nicht dein Ernst sein.“
„Oh doch. So funktioniert das nun
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