Engel für den Duke
Tee mit ihrer Mutter und der Dowager Countess of Tavistock. Sehr viel lieber wäre sie einkaufen gegangen oder hätte mit den anderen jungen Frauen ihres Kreises über den Ball bei dem Earl of Severn geplaudert, den sie in der vergangenen Nacht gezwungenermaßen verpasst hatte. Aber wenn sie erst Duchess geworden war, konnte sie machen, was sie wollte.
Sie nickte zu irgendetwas, das die Countess sagte, obwohl sie nicht sehr aufmerksam zuhörte. Sie wünschte nur, der Duke würde erscheinen. Ihren Charme in Gesellschaft eines gut aussehenden Mannes spielen zu lassen, das bereitete ihr stets Vergnügen. Vielleicht würde sie das vor einem langweiligen Nachmittag bewahren.
Sie trank einen Schluck Tee aus der goldgeränderten Porzellantasse und überlegte, dass sie zumindest die Gelegenheit genoss, ihr neues gestreiftes Seidenkleid zu tragen. Es war ein schönes Kleid, der Rock hatte breite Rüschen mit einem Samtband am Saum. Als sie ihren Namen hörte, erschrak sie und bemerkte, dass die Countess sie angesprochen hatte.
„Entschuldigen Sie, Mylady, ich war in Gedanken versunken. Was haben Sie gesagt?“
„Ich sagte, meine Einladung zum Tee galt auch für Ihre Cousine Miss Moran. Ich dachte, sie würde uns Gesellschaft leisten. Sie ist doch nicht krank, oder?“
Jocelyn winkte ab. „Natürlich nicht – Lily ist fast nie krank. Sie ist nur damit beschäftigt, ihre albernen Hüte zu machen. Mutter hielt es für das Beste, sie dem zu überlassen.“
Die Countess zog eine Braue hoch. „Miss Moran macht Hüte?“
„Unglücklicherweise ja.“ Die Mutter stellte ihre Teetasse ein wenig zu energisch ab, sodass das Porzellan klirrte. „Es ist mir peinlich zu sagen, dass unsere liebe Cousine sich wünscht, eines Tages ein Hutgeschäft zu besitzen. Ich schwöre, so etwas habe ich noch nie gehört. Ich sagte ihr, dass sich das einfach nicht gehört.“
„Welche Art von Hüten macht sie denn?“, fragte die Countess, als wäre das ein Thema von Bedeutung.
„Na, alle möglichen Hüte, Madam“, erwiderte Jocelyn. „Lily hat auch die Samtkappe gemacht, die ich heute trage.“ Sie drehte den Kopf, um die Kreation, die denselben matten Mauveton hatte wie ihr Kleid, besser zeigen zu können. Mit den herabhängenden farbigen Bändern passte die Kopfbedeckung genau zu ihrer Garderobe.
Die Countess schien entzückt. „Nun, das ist reizend. Sie sagen, gerade jetzt arbeitet sie an diesen Hüten?“
Jocelyn nickte. „In einem Zimmer irgendwo den Gang hinunter. Sie näht dort jeden Tag.“
Langsam erhob sich die Countess. Mit ihrer knochigen Hand griff sie nach ihrem Stock und stützte sich schwer darauf. „Ich liebe Hüte. Ich glaube, ich sollte mir die Arbeiten Ihrer Cousine einmal ansehen.“
Die Mutter presste die Lippen zusammen und erhob sich ebenfalls. Jocelyn folgte den beiden, als die alte Frau langsam vorausging.
„Ich glaube, es heißt das Narzissenzimmer“, sagte Jocelyn. „Es befindet sich im hinteren Teil des Hauses.“
„Ich kenne den Raum. Von dort aus hat man einen herrlichen Blick in den Garten.“
Einen Garten, der dringend gestaltet werden muss, dachte Jocelyn. Sie würde die besten Landschaftsarchitekten engagieren, damit sie die Wege neu anlegten, die Pflanzen ersetzten und das Ganze wieder schick und modern machten.
Vor der Tür zu dem Salon blieb die Countess stehen und warf einen Blick hinein. „Das also ist der Grund, der Sie daran gehindert hat, Ihren Tee mit uns einzunehmen.“ Sie deutete auf die Stoffe, Bänder, Spitzen und künstlichen Blumen, die überall auf dem Tisch und den Stühlen verteilt lagen.
Lily sprang auf und ließ die Haube, die sie auf dem Schoß gehalten hatte, zu Boden fallen. Rasch bückte sie sich und hob sie auf. „Mylady! Ich wusste nicht, dass ich erwartet wurde. Ich bitte Sie um Entschuldigung.“
Die ältere Frau warf Matilda einen Blick zu. „Ist schon gut, meine Liebe. Jetzt erzählen Sie mir doch, was Sie mit all dem hier machen.“
„Ich machte Hüte, Mylady. Das ist so eine Art … Zeitvertreib von mir.“
„Zeitvertreib oder Geschäft?“
Lily sah Jocelyn an. Offensichtlich wollte sie sie nicht in Verlegenheit bringen.
„Die Wahrheit, junge Dame.“
„Es ist mein Geschäft, Hüte zu machen, Lady Tavistock. Ich habe einige Kunden, die meine Modelle kaufen. Ich hoffe, eines Tages einen eigenen Laden zu besitzen.“
„Das hörte ich.“ Die Countess schlenderte in dem Salon umher und stützte sich nur gelegentlich auf ihren Stock. Auf
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