Engel im Schacht
Knaben noch mal eine runterhauen - wieso muß er sich denn sozial engagieren? Hat er Drogen verkauft im Kindergarten?«
»Das Arbeiten in West Englewood bekommt dir nicht. Es gibt noch jede Menge andere Verbrechen außer Drogenhandel und Mord - die siehst du nur nicht.« »Hast recht, Zuckerbaby. Ich hab' eineinhalb Tage Dienst hinter mir und bin froh, daß jetzt ein bißchen Ruhe ist. Ist noch ein Bier da?«
Conrad bringt immer sein eigenes Bier mit, weil ich keins trinke. Ich holte ein Moosehead für ihn aus dem Kühlschrank und lenkte die Unterhaltung auf die Cubs - das Thema war fast genauso trübe wie das Chaos auf Chicagos Straßen, aber längst nicht so gefährlich.
Vor dem Eindringen klopfen
Conrads Piepser ging um halb drei los. Er tappte so leise wie möglich ins "Wohnzimmer, um anzurufen. Ein paar Minuten später kam er ebenso leise ins Schlafzimmer zurück. Ich hörte, wie er im Dunkeln nach seinen Kleidern suchte, schaltete das Licht an und setzte mich auf.
»Tut mir leid, Baby. Hab' gedacht, diese Rowdys müssen uns nicht beide um den Schlaf bringen. Gerade ist einer von meinen Informanten umgebracht worden. Könnte Zufall gewesen sein, aber möglicherweise war's auch eine Warnung an die anderen Spitzel. Jedenfalls muß ich mir jetzt ein paar Zeugenaussagen anhören. Vielleicht könnte ich ja noch mal herkommen, wenn wir bis zum Morgengrauen damit fertig sind?« Er formulierte das als Frage.
Ich zog ein T-Shirt an und ging in die Küche, um meine Zweitschlüssel zu holen. »Hast du deine kugelsichere Weste an?«
Er fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Ich muß doch bloß ins Revier, um mir Lügen anzuhören.«
»Du hast keine Ahnung, wo du vielleicht sonst noch hin mußt. In diesen unsicheren Zeiten kannst du nicht mehr ohne gehen, das weißt du genau, und dein Vorgesetzter würde dir das gleiche sagen.«
»Dann ruf doch Fabian an und bring ihn dazu, beim Polizeichef ein gutes Wort für mich einzulegen«, frotzelte er, ging aber doch noch mal ins Schlafzimmer und nahm die Weste vom Stuhl.
Nachdem er weg war, verschloß ich die Tür und schaute ihm vom Wohnzimmerfenster aus nach. Bevor er ins Auto stieg, hob er den Kopf und winkte mir zu. Danach beobachtete ich weiter die Straße, konzentrierte mich auf nichts Besonderes, war nur deprimiert über die sinnlose Gewalt in dieser Stadt. Ich stand schon ein paar Minuten so da, bevor mir auffiel, daß Ken Grahams Spider immer noch vorm Haus stand. Ich weiß nicht mehr, ob ich wütend oder amüsiert war. Glaubte er vielleicht, er müßte mich beschützen? Oder schlug er bloß die Zeit tot? Hätte ich doch nur einen Platz für ihn gefunden, wo er vernünftig beschäftigt wäre! Obwohl mir natürlich sehr damit geholfen wäre, wenn er meine Daten rekonstruieren könnte, war mir seine ständige Nachschleicherei noch lästiger als die von Mr. Contreras. Zwischen Wachen und Träumen beschloß ich irgendwann, bei meinem Versuch, die Geheimnisse von Home Free zu ergründen, aggressiver vorzugehen. Es wäre schwierig, in den Gant-Ag-Komplex einzubrechen, um etwas über Jad herauszufinden, aber wenn bei den drei Musketieren tatsächlich der Wahlspruch »Einer für alle, alle für einen« galt, hatte ja vielleicht auch Jasper Daten über die anderen. Zumindest würde ich feststellen können, warum die Bauprojekte so geheim waren. Ich trottete ins Schlafzimmer, um Jeans und eine Jacke anzuziehen. Vielleicht eine Minute lang dachte ich darüber nach, was ich brauchen würde. Mein e Dietrichsammlung. Meine Smith &Wesson. Zwei Paar Chirurgenhandschuhe, die mir Lotty irgendwann überlassen hatte. Eine Taschenlampe hatte ich im Wagen. Eine Trittleiter? Wahrscheinlich konnte ich die nicht aus dem Keller holen, ohne Mr. Contreras aufzuwecken. Wenn ich noch etwas anderes benötigte als den Hocker, den ich immer im Kofferraum hatte, mußte ich eben improvisieren. An die Tür klebte ich einen Zettel für Conrad, auf dem ich ihm mitteilte, daß ich noch etwas erledigen mußte. Falls Ken sah, daß ich wegfuhr, und beschloß, mir zu folgen, wäre mir das sehr lästig. Also schob ich die Riegel an der Hintertür zur Seite, aber da erinnerte ich mich an die elektronische Alarmanlage - ich hatte keine Zeit gehabt, mich auch noch darüber zu informieren, wie man Anlagen mit Schaltung zur Polizei austrickste. Ich brauchte, tja, ich brauchte... einen Hacker.
Ich lief leise die vordere Treppe hinunter. Zum Glück schliefen die Hunde.
Ich joggte die Racine Avenue zu dem
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