Engel im Schacht
Spider hinunter. Die Natriumlampen auf der Straße erhellten das Innere des Wagens, wo der junge Ken selig schlief. Ich klopfte laut und vernehmlich mit meiner Dietrichsammlung ans Fenster und freute mich diebisch, als ich sah, wie er verdattert hochschreckte. Der Spider war ziemlich klein; deshalb knallte Ken beim Aufwachen mit dem Knie gegen das Lenkrad. Als er die Tür aufmachte, sah er noch ganz verschlafen aus.
»Sie haben sich von mir angezogen gefühlt wie ein Asteroid von Jupiter. Ich hab' gewußt, daß Sie dem Bullen den Laufpaß geben und zu mir kommen, wenn ich nur lang genug hier warte.«
»Wie recht Sie haben. Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Aber wenn Polizeimeister Rawlings das rausfindet, bringt er mich um. Und wenn Sie ihm was davon erzählen, bringe ich Sie um.«
»Sie können nicht zur Ehebrecherin werden, wenn Sie gar nicht verheiratet sind.« Er packte mich am Handgelenk und versuchte, mich auf seinen Schoß zu ziehen. Als ich ihm den Arm wegdrehte, sah er ziemlich betrübt aus. »Versuchen Sie mal, Ihr Gehirn über die Gürtellinie zu verlagern, Junge. Ich brauche Ihre Hilfe bei was Gefährlichem und Illegalem, und ich möchte, daß Sie sich das ernsthaft überlegen, bevor Sie sich bereit erklären, mitzumachen.«
Er rieb sich den Unterarm an der Stelle, wo ich ihn gepackt hatte, und starrte mit finsterem Gesicht auf den Boden. »Kommandieren Sie die Leute immer so rum? Wie hält Ihr Bullenfreund das denn aus?«
»Der mag das. Er hat nämlich 'ne Schwäche für Frauen mit schwarzen Lederklamotten und Peitschen. Außerdem hab' ich gedacht, Sie mögen herrschsüchtige Frauen - die erinnern Sie doch an Ihr altes Kindermädchen ... Können Sie ein Alarmsystem mit Schaltung zur Polizei austricksen?«
Die Aussicht auf ein richtiges Abenteuer lenkte ihn von seinen amourösen Ambitionen ab. Er hörte auf, sich den Arm zu reiben, und sah mich an. »Meinen Sie eins, das über einen Sicherheitsdienst mit der Polizei verbunden ist? Aber klar. Allerdings nur mit der richtigen Ausrüstung. Handelt es sich um ein System mit permanenter Rückmeldung?« Ich schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Ich weiß nicht mal, was Sie meinen.« »Da geben Sie ein Codewort ein, mit dem sich die Anlage alle paar Minuten bei der Telefonleitung rückmeiden muß. Wenn es so ein Ding ist, kann ich's bloß ausschalten, wenn ich in dem Gebäude gewesen bin und mir die Einzelheiten angesehen habe.«
»Können wir mal davon ausgehen, daß es so was nicht ist - und lieber die Beine unter den Arm nehmen, falls die Polizei aufkreuzen sollte?«
Er lächelte. »Das mag ich so an Ihnen - bei Ihnen ist immer was los. Ich hab's doch gewußt, daß Sie einfach zu radikal sind für Darraugh oder einen Bullen. Wir müssen raus nach Niles zu einem von den großen Baumärkten, die die ganze Nacht offen haben. Ich brauche ein paar Hilfsmittel, sonst kann ich das nicht machen.« »Denken Sie lieber noch mal 'ne Minute drüber nach, Ken. Wenn wir erwischt werden, landen Sie wahrscheinlich im Gefängnis. Schließlich haben Sie schon was auf dem Kerbholz.«
»Und was ist mit Ihnen?« Er lächelte mich selbstgefällig an. »Wir könnten ja in eins von den gemischten Gefängnissen - gibt's da nicht welche in Texas?« »Ich könnte mich wahrscheinlich rausreden«, sagte ich ihm ganz offen. »Natürlich hätte ich ein furchtbar schlechtes Gewissen, wenn Sie bestraft würden, aber mit der Zeit gibt sich das.«
Er zuckte mit den Achseln. »Na schön. Dann dürfen wir uns eben nicht erwischen lassen. Steigen Sie ein. Ich bringe Sie nach Niles.«
»Ich folge Ihnen lieber. Ich will sichergehen, daß uns niemand nachfährt. Bleiben Sie hinter mir, wenn ich Sie überhole, und passen Sie auf, wer sonst noch hinter uns ist. Und halten Sie sich an die Geschwindigkeitsbeschränkungen. Das ist eine der wichtigsten Regeln für einen Verbrecher. Durch die Raserei verraten sich mehr als durch Fingerabdrücke am Tatort. Und als Fahrer eines Sportwagens sind Sie für solche Sachen sowieso prädestiniert.«
Er grinste mich an. »Ich weiß. Ich hab' im ersten Semester mein ganzes Geld für Strafzettel ausgegeben. Darraugh hat das nicht sonderlich gefreut. Aber was kann man schon von einem Mann erwarten, der einen Lincoln fährt?«
Er wartete, bis ich die Straße überquert hatte und bei meinem Trans Am war. Um mir zu beweisen, daß er sich nichts sagen ließ, bog er mit sechzig in die Belmont Avenue ein. Schon bald war er ein paar Häuserblocks vor mir.
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