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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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ich was mit der Einwanderungsbehörde zu tun habe. Sag ihnen, ich hätte Freunde, die sich bereit erklärt haben, für Anton zu arbeiten, daß ich mir aber Sorgen mache, ob er sie anständig bezahlt. Ich wollte mich zuerst mit jemandem unterhalten, der sc hon für ihn gearbeitet hat.«
    »Ich werde versuchen, ihnen das zu sagen.«
    Sie lachten schallend über mein Anliegen und begannen, ihr Herz auszuschütten. Max unterbrach sie immer wieder, weil er dem, was sie sagten, nicht mehr folgen konnte. Einmal versuchte er es mit Deutsch, aber sie verstanden ihn genausowenig wie mich mit meinem Italienisch oder meinem Schulfranzösisch.
    Soweit Max verstand, war Anton so etwas wie ein Aufseher. Er war Rumäne und schon seit fünfzehn Jahren in Amerika, weshalb er auch die Green Card hatte. Er hatte die Männer vor zwei Monaten am Flughafen abgeholt, nachdem sie mit Touristenvisa eingereist waren. Der Einwanderungsbehörde hatte er erklärt, es handle sich um Studenten, denen er Amerika zeigen wollte. Danach hatte er sie sofort zu dem Lieferwagen gebracht, wo sie seitdem lebten. Gleich nach ihrer Ankunft hatten sie anderswo einen Bau fertiggestellt. Hier in der Eiston Avenue waren sie seit zwei Wochen.
    Von dem Geld, das man ihnen bezahlte, wurde etwas für den Schlepper abgezogen, der sie hergebracht hatte, und ein anderer Teil wurde direkt den Verwandten in Rumänien geschickt. Man berechnete ihnen sogar Kost und Logis, obwohl sie in dem ausrangierten Brotwagen wohnen mußten. Ihr Nettolohn belief sich auf etwa dreißig Dollar die Woche.
    »Das ist ja unglaublich - wie die Ausbeutung auf den Baumwollfeldern im Süden!« rief ich entsetzt. »Das müssen wir melden.«
    »Das Problem ist, daß sie illegal hier sind«, meinte Max. »Anton droht ihnen ständig mit Ausweisung. Sie haben zu Hause alle Familien, die sie mit dem Geld über Wasser halten. Manche sind verheiratet, andere haben Eltern, die sie unterstützen. Natürlich werden sie ausgebeutet, aber sie brauchen das Geld.«
    Ich runzelte die Stirn. Ich kannte eine Anwältin namens Ana Campos, die Einwanderer mit niedrigem Einkommen beriet. Ich wußte nicht, welche Alternativen die Männer hatten, aber mit ziemlicher Sicherheit konnte man ihnen etwas Besseres bieten als diesen unhygienischen Wagen. Ich erzählte Max von Ana. »Ich denke, ich muß sie anrufen - ich kann hier nicht weggehen, als hätte ich nichts gesehen. Was glaubst du, wie viele solche Teams Charpentier in der Stadt hat?«
    Bevor Max mir eine Antwort geben konnte, packte mich einer von den Männern am Arm und rief: »Anton!«
    Der Stadtcowboy fuhr den Weg mit einem Pickup Truck herunter. Er hatte uns noch nicht entdeckt, aber wenn wir versuchten, die Straße hinauf zu fliehen, gaben wir ein leichtes Ziel für ihn ab. Außerdem waren weder Max noch ich in der körperlichen Verfassung für einen Sprint.
    Ich rappelte mich hoch und streckte Max die Hand hin. »Komm. Frag die Jungs, ob wir eine Weile in ihre Betten kriechen dürfen.«
    Max folgte mir und sagte keuchend ein paar Worte. Der Sprecher lächelte, stimmte zu und rief seinen Kollegen im hinteren Ende des Wagens etwas zu. Wir wurden unter ein paar Decken gesteckt. Einer von unseren neuen Freunden schob mir die Hand unter die Bluse, worauf ich ihm - ganz mechanisch - das Knie in den Unterleib stieß. Er zog mir hastig die Decke über den Kopf und sprang von meinem Bett. Die hintere Tür des Lieferwagens ging auf. Ich konnte Anton hören, ihn aber weder sehen noch verstehen. Hilflos lag ich da, ohne zu wissen, was die Männer sagten. Ich packte die Smith & Wesson fester, aber meine Hände waren so feucht, daß sie mir immer wieder zu entgleiten drohte.
    Nach einem Wortwechsel zwischen Anton und den Männern schien er nachzuzählen, ob alle da waren. Das Herz klopfte mir bis zum Hals - würde ihm die Uberbelegung der Pritschen auffallen? Unter mir hörte ich Max keuchen, und ich betete, daß uns das Geräusch nicht verraten möge.
    Anton bellte etwas Bedrohliches. Die Männer murmelten eine Antwort, und dann herrschte Schweigen. Ich lag ganz still da und atmete so flach wie möglich. Als mir jemand kurze Zeit später die Decke wegzog, drückte ich ihm die Waffe an den Kopf. Es war unser Sprecher. Er wurde bleich und sprang entsetzt zurück. »Ist schon okay, Vic«, meinte Max mit ruhiger Stimme. »Anton ist weg. Er wollte offenbar nur nachsehen, ob alle hier sind - er hat ihnen gesagt, daß sie heute noch zu einer anderen Baustelle müssen und sich

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