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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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sich um eine Art tragbaren Generator. Als er zum Lieferwagen zurückwollte, entdeckte er mich, grinste mich an und rief etwas. Noch zwei Männer kamen aus dem Lieferwagen und beäugten mich. »Ba-by!« jauchzte einer von ihnen und sprang vom Wagen.
    Er machte eine ziemlich eindeutige Geste mit den Händen, verlor aber ein wenig von seiner Begeisterung, als sich Max hinter dem Stapel Bauholz erh ob. Max ging zu dem Trio hin über und begann sich zwar nicht fließend, aber doch offenbar verständlich, mit ihnen zu unterhalten. Der Mann, der mir etwas zugerufen hatte, klopfte Max auf den Rücken und deutete auf den Lieferwagen. Schon kamen noch ein paar von den Arbeitern aus dem Wagen und riefen Max Fragen, vielleicht auch eine Begrüßung, zu. Ich stand dabei, die Hand auf dem Holster, obwohl die Männer eher freudig erregt als gefährlich wirkten. Da die Sprache irgendwie mit dem Italienischen verwandt war, bekam ich hin und wieder ein Wort mit, verstand aber nicht den Sinn des Gesagten. Antons Name fiel ein paarmal.
    Nach ein paar Minuten wandte Max sich mir zu. »Sie sind aus Rumänien, wie wir gedacht haben. Und sie wollen dir nichts Böses, aber niemand darf ohne Antons Erlaubnis auf die Baustelle. Er hat jemandem den Kiefer gebrochen, weil er sich hier umgesehen hat, und sie meinen, wir sollten abhauen, denn er kreuzt wahrscheinlich bald auf.«
    »Einverstanden. Aber könntest du ihnen zuerst ein paar Fragen stellen? Zum Beispiel, wie das Projekt aussieht, an dem sie arbeiten?«
    Ich beobachtete die Gesichter der Männer, während Max sich bemühte, einige Fragen zu formulieren. Plötzlich redeten sie alle durcheinander und gestikulierten wie wild. Max bat sie, langsamer zu reden. Ein sehniger Mann mit riesigem Schnurrbart brachte seine Kollegen zum Schweigen und redete langsam, laut und in einfachen Sätzen, damit Max ihn verstand.
    »Jemand hat sie vor ungefähr zwei Monaten hergebracht«, übersetzte Max. »Ich habe das Wort nicht verstanden, das er für den Mann verwendet, der das gemacht hat, aber ich nehme an, es handelt sich um einen Schlepper. Sie machen Überstunden ... « Er wandte sich wieder an die Männer und fragte sie etwas. Dabei reckte er die Finger hoch, um sicherzugehen, daß er sie richtig verstanden hatte.
    »Ja. Sie arbeiten sechs Tage die Woche, zehn Stunden am Tag. Sie wohnen im Lieferwagen.« Er warf einen Blick hinein. »Da drinnen sieht's aus wie im Frachtraum eines alten Schiffes - die haben einfach Kojen an die Wände genagelt.«
    Ich fragte die Männer mit einer Geste, ob ich einen Blick hineinwerfen dürfe. Mit weiteren deftigen Ausrufen hießen sie mich an Bord willkommen. Als ich mich hochzog, jubelten sie wieder »Ba-by«. Der Sprecher der Männer stellte Max eine Kiste hin und half ihm dann ebenfalls hoch. Innen schalteten sie eine Lampe an, die an einem Kabel hing und ein hartes Licht auf ihre Unterkunft warf.
    Kojen für zwölf Männer waren an den Wänden angebracht, acht davon belegt. An der hinteren Seite baumelten die Kleider der Männer an rohen Haken. Zwischen den Betten waren Bilder aufgehängt, die sie aus Zeitschriften ausgerissen hatten. Manche davon waren pornographisch, andere zeigten malerische Landschaften aus ihrer Heimat. Ein paar der Männer hatten auch Fotos von ihrer Familie angepinnt.
    Ein Brett auf zwei Sägeböcken diente als Tisch. Er war übersät von leeren Bierflaschen und vollen Aschenbechern. Auf einem anderen standen eine Kochplatte und ein kleiner Schwarzweißfernseher.
    Zwei Männer schliefen noch, als wir in den Wagen hineinschauten. Aufgeweckt durch die Rufe ihrer Kollegen, setzten sie sich auf, nackt und mißmutig. Ich drehte mich um und schwang die Beine über die Ladefläche, rutschte herunter und stellte mich auf die Kiste darunter. Meine Schultern und mein Kopf taten mir zu weh, als daß ich so schnell wie eine Ziege herunterhüpfen konnte. Die Männer verdienten meiner Ansicht nach ein bißchen Privatsphäre, denn sonst hatten sie ja kaum etwas. Es ist sehr hart, sich so sein Geld verdienen zu müssen.
    Gleich darauf setzte sich Max neben mich. Er schüttelte bestürzt den Kopf und murmelte etwas von Dingen, die er in Amerika nicht für möglich gehalten hätte. Der Sprecher kam wieder heraus und beugte sich zu Max hinunter, um ihn etwas zu fragen. Max übersetzte für mich. »Sie wollen wissen, wer du bist - ob du einen Liebhaber suchst oder ob du von der Regierung bist. Was soll ich ihnen sagen?« »Ach. Die denken wahrscheinlich, daß

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