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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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deshalb bereithalten sollen.«
    »Ach.« Ich schob die Waffe ins Holster und kam mir ziemlich albern vor. »Sag dem Mann, daß ich ihn nicht erschrecken wollte.«
    Nachdem Max das übersetzt hatte - es dauerte ziemlich lange, so daß ich mich fragte, was er über mich sagte -, zwinkerte der Sprecher und nickte, sah aber nicht sonderlich glücklich aus. Ich hatte das Gefühl, daß es an der Zeit war zu gehen. Mein Kopf pochte mittlerweile wie wild; Max sah erschöpft aus. Ich berührte seinen Arm und sagte ihm, daß ich den Wagen holen würde.
    »Mir fehlt nichts, Vic, wirklich. Aber vielleicht warte ich doch lieber hier auf dich.« Meine Arme und Beine waren so schlaff, als hätte ich zehn Stunden lang harte körperliche Arbeit verrichtet. Ich setzte mich auf die Ladeklappe wie eine alte Frau und ließ die Beine über die Kante gleiten. Ich war mit den Füßen gerade auf dem Boden aufgekommen, als ein Wagen sich näherte, ein alter blauer Dodge mit vier Männern darin.
    Ich stolperte in den Lieferwagen zurück, als sie angerannt kamen. Bevor ich eine Warnung ausstoßen konnte, waren sie schon auf die Ladeklappe gesprungen. Einer von ihnen hielt eine Waffe in der Hand, ein anderer einen Ausweis.
    »Einwanderungsbehörde, Jungs. Hände vor den Körper, wo wir sie sehen können. Wir machen jetzt eine hübsche Spazierfahrt.« Er wiederholte den Befehl auf rumänisch.

Nummer eins auf allen Beschwerdelisten
    Die Beamten von der Einwanderungsbehörde hatten ihren Kleinbus am Ende der Straße hinter der Baustelle geparkt. Sie interessierten sich nicht im mindesten für die Proteste von Max und mir und weigerten sich, auch nur einen Blick auf unsere Ausweise zu werfen. Statt dessen schoben sie uns so unsanft in den Wagen, daß mein Kopf gegen den Rücksitz krachte. Einen Augenblick wurde mir schwindelig, und ich hatte Angst, wieder das Bewußtsein zu verlieren. Ich biß mir so fest auf die Lippe, daß der Schmerz mich in die Realität zurückriß.
    In den Kleinbus hätten bequem acht Menschen gepaßt. Doch wir vierzehn waren in den unmöglichsten Positionen hineingequetscht. Ich war in eine Ecke gedrückt, einer der Arbeiter saß auf meinem Schoß. Der Geruch von Knoblauch und süßlichem Angstschweiß hing in der abgestandenen Luft.
    Die Männer waren überzeugt, daß Max und ich sie verpfiffen hatten, obwohl wir genauso Handschellen trugen wie sie. Sie überschütteten uns auf der ganzen Fahrt zum Flughafen mit Beschimpfungen. Max weigerte sich zu übersetzen, aber es war nicht schwierig, ihre Wutschreie zu verstehen.
    Wir verbrachten fast vier Stunden am Flughafen, zuerst zusammen in einem kleinen Raum mit den Rumänen, dann in einem noch kleineren Zimmer allein mit einem Wächter. Meine Waffe wurde mir gleich zu Beginn abgenommen, und ich mußte mich einer Leibesvisitation unterziehen, um sicherzustellen, daß ich keine weiteren Waffen bei mir trug. Die Polizisten spielten mit dem Gedanken, mich wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu verhaften, obwohl ich einen Waffenschein hatte. Weder sie noch die Leute von der Einwanderungsbehörde wollten hören, daß Max und ich amerikanische Staatsbürger waren - sie behaupteten immer wieder, wir hätten unseren Führerschein und unsere Kreditkarten gestohlen. Sie hätten uns vermutlich umgehend nach Bukarest verfrachtet, wenn irgendein Flieger dorthin geflogen wäre. Während der Zeit, die wir zusammen mit den Rumänen verbrachten, hörte der Mann mit dem Schnurrbart nicht auf zu schimpfen. Seine Kameraden hockten auf dem Boden und starrten niedergeschlagen ins Nichts. Max, der inzwischen ziemlich fahl aussah, versuchte ein paar Minuten lang höflich für mich zu übersetzen. Irgendwann gab er es auf - er sagte, das, was sie von sich gaben, sei so umgangssprachlich, daß er es nicht mehr verstand.
    »Ich könnte natürlich raten, was sie sagen, aber mein engliches Vokabular würde ohnehin nicht ausreichen, das wiederzugeben, was sie auszudrücken versuchen«, fügte er hinzu.
    »Meins schon«, sagte ich griesgrämig. »Und ich kann damit leben, es nicht noch mal zu hören.«
    Es war Mittag, als ich endlich Freeman Carter anrufen durfte. Das lag nicht an meiner Eloquenz, sondern daran, daß sie uns Fingerabdrücke abgenommen hatten. Ein schneller Blick in den Computer hatte ergeben, daß eine Privatdetektivin mit meinen Fingerabdrücken sich meines Namens und meiner Adresse bediente. Irgendwie konnte sie das nicht davon überzeugen, daß ich tatsächlich die war, für die ich mich

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