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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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wütend, vielleicht auch zu verletzt, um auf das zu achten, was ich sagte. »Warum zum Teufel hast du den Beamten draußen am Flughafen nicht gesagt, daß sie mich holen sollen? Ich hätte dich viel schneller und um etliches billiger aus dem Schlamassel rausholen können als dein Luxusanwalt.«
    Ich rieb mir die Beule am Kopf. »Man hat mich in einen überfüllten Kleinbus gestoßen und mich nach O'Hare gekarrt, wo ich mich einer Leibesvisitation unterziehen mußte. Hast du das Vergnügen schon mal gehabt? Hinterher ist man ein bißchen verwirrt.« »Du wärst also lieber nach Bukarest geflogen und per Anhalter wieder heimgekommen, statt mich um Hilfe zu bitten. Darauf läuft's doch raus, oder?« Seine Stimme klang verbittert.
    »Natürlich würde ich am liebsten dich anrufen, zum Beispiel, wenn ich Angst habe, die Treppe zu meiner Wohnung hochzugehen. Aber verstehst du denn nicht, warum ich es nicht tue? Es geht um grundsätzliche Dinge, Conrad.«
    Als ich das sagte, fragte ich mich, ob ich wirklich so stolz gewesen wäre, mich in ein Flugzeug nach Bukarest stecken zu lassen, statt meinen Freund um Hilfe zu bitten. Ich wollte es lieber nicht wissen.
    »Und wann wolltest du mir von der ganzen Sache erzählen?« fragte er mich. »Heute abend. Nach dem Aufwachen. Ich hätte dich schon früher angerufen, wenn ich gewußt hätte, daß wir in den Vieruhrnachrichten waren. Wenn ich's mir recht überlege, sollte ich gleich Mr. Contreras anrufen, bevor er völlig ausflippt.«
    »Das ist er bereits. Ob du's glaubst oder nicht - der Alte hat mich angerufen. Da muß er schon ziemlich verzweifelt sein, wenn er so was macht. Aber zurück zu den grundsätzlichen Dingen, Vic. Ich habe den Eindruck, daß du alles, was du machst, versteckst wie den kleinen Moses vor dem Pharao. Wenn ich dann zufällig davon erfahre, überläßt du mir zähneknirschend einen Kolben Schilfrohr oder zwei.« »Conrad, wenn du gewußt hättest, daß ich noch mal auf die Baustelle gehen wollte, hättest du mir die Leviten gelesen. War es denn so falsch von mir, einer solchen Reaktion auszuweichen?«
    »Ich habe nur was dagegen, wenn du die Gesetze brichst, eine gesunde Neugier bezüglich deiner Fälle schadet meiner Ansicht nach nichts. Aber siehst du den Unterschied denn nicht? Und kannst du nicht ein bißchen Rücksicht auf meine Gefühle als dein Freund nehmen? Muß ich es unbedingt von einem Reporter erfahren, wenn auf dich geschossen wird?«
    »Vielleicht hätte ich es dir gesagt, wenn du mir gestern abend nicht solche Vorwürfe gemacht hättest. Aber du hast mich zur Schnecke gemacht, obwohl mir der Kopf schon fast platzte, und da habe ich das Chaos vorher vergessen.«
    »Ich glaube eher, daß du gern Alleingänge machst, Baby. Und wenn dir jemand in die Quere kommt, machst du ihn einfach nieder.« Er legte auf, bevor mir eine passende Antwort einfiel.
    Allmählich wurde mir kalt in dem düsteren Flur. Lotty schaute wie ein Gespenst mit einer Tasse frischem Kaffee vorbei. Ich nippte dankbar daran und stellte sie dann auf meinen Oberschenkel, um keine Flecken auf den Pie-crust-Tisch zu machen, auf dem bei Max im Flur das Telefon stand. »Schläft Max noch?« fragte ich.
    »Er wird bis zum Morgen schlafen. Kommt Conrad her?«
    »Er ist so wütend auf mich, daß ich nicht mal weiß, ob er überhaupt jemals wieder mit mir reden wird. Und bitte sag mir jetzt nicht, daß ich das verdient habe: Solchen Trost kann ich heute abend wirklich nicht brauchen.«
    Sie stützte ihre Hand kurz auf mich, um die kleine Lampe neben dem Telefon einzuschalten; ihre Augen glänzten in dem goldenen Licht. »Ist es dir sch on mal in den Sinn gekommen, Vic, daß ich bei dir nicht dieselben Fehler sehen möchte, die ich selbst gemacht habe? Wenn man Mauern aus Angst und Wut zwischen sich und anderen Menschen aufbaut, lebt sich's ziemlich unbequem.«
    Ich griff nach ihrer Hand. Verhielt ich mich wütend oder ängstlich, wenn ich mit Conrad redete? Es spielte wohl beides mit, dachte ich unsicher. Ich ließ Lottys Finger los, um Mr. Contreras' Nummer zu wählen.
    Während des Gesprächs mit meinem Nachbarn fragte ich mich, warum ich seine hektischen Fragen ruhiger beantworten konnte als die von Conrad. Ich erklärte geduldig, wie Max in die Geschichte hineingeschlittert war, daß das aber nicht bedeutete, daß ich Max lieber mochte als ihn; wie leid es mir tat, daß er allein mit den Fernsehteams fertig werden mußte, die so gegen drei aufgekreuzt waren - obwohl ich natürlich

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