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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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wußte, daß er seinen Auftritt insgeheim genossen hatte. »Wie lange wollen Sie denn noch wegbleiben? Die Hunde brauchen Auslauf. Und was haben Sie mit Conrad gemacht? Ich habe ihn angerufen, um zu hören, was mit Ihnen los ist, und da hat er mir gesagt, daß er das auch nicht weiß. Sie können nicht erwarten, daß ein Mann bei Ihnen bleibt, wenn Sie ihn so behandeln. Ich sage das nicht, weil ich so begeistert über Ihre Beziehung mit Conrad Rawlings bin, denn das könnte ich nicht behaupten. Aber für einen Farbigen ist er gar nicht so schlecht, und er hat Sie immer sehr zuvorkommend behandelt. Mich übrigens auch. Und schließlich gehen Sie ja auch schon auf die Vierzig zu. Dabei wohnen Sie allein und haben noch nicht mal ordentliche Möbel. Wie soll Ihr Leben denn aussehen, wenn Sie so alt sind wie ich?« »Keine Ahnung. So weit kann ich nicht vorausplanen. Ich weiß ja nicht mal, wie das Leben heute abend aussehen wird. Also bitte drängen Sie mich nicht, ja? Ich kann das im Moment nicht so gut vertragen.«
    »Schon gut, Süße, schon gut«, meinte er schroff. »Aber versuchen Sie doch hin und wieder mal, sich auch in die anderen hineinzuversetzen - mehr verlange ich gar nicht. Gehen Sie jetzt lieber wieder ins Bett. Und vergessen Sie nicht, mich morgen früh anzurufen.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, betra chtete ich die Tischlampe, die Lotty eingeschaltet hatte. Genau wie alles andere in Max' Haus war auch sie sorgfältig ausgewählt: Zwei glockenförmige Schirme mit eingeätzten Blumenornamenten waren an einem niedrigen Messingständer befestigt. Manchmal flüchtete ich mich in Max' Oase des guten Geschmacks, wenn mir der Sinn nach Harmonie stand, aber heute hätte ich gute Lust gehabt, die Lampe gegen die chinesische Vasen im Treppenhaus zu schleudern.

Eine Hand wäscht die andere
    Lotty hatte sich mit einem Roman von Ingeborg Bachmann in der Frühstücksecke zusammengerollt. Sie hatte ein paar Stunden geschlafen, nachdem sie Max ins Bett gesteckt hatte, und war jetzt hellwach. Ich machte broccoli frittata, die ich mit ihr teilte, und setzte mich dann mit einem gelben Block, den Lotty in Max' Arbeitszimmer gefunden hatte, vor die Kochzeile und versuchte, die Fakten, die ich über Home Free, Deirdre und die Century Bank kannte, zu ordnen.
    Die fünf Millionen Dollar in Jaspers Kästchen waren mein wichtigster Hinweis. Vermutlich bezahlte er Bauunternehmer wie Charpentier bar. Wenn alle Arbeiter so ausgebeutet wurden wie das Team, mit dem ich den Morgen verbracht hatte, fielen die Lohnkosten ziemlich gering aus. Die Materialkosten sind im Regelfall ein nettes Sümmchen, aber wie viele Zulieferer ließen sich wohl bar bezahlen? Da waren mit Sicherheit manchmal Zehntausende von Dollar fällig. Doch selbst wenn alle Lieferanten Jaspers krumme Geschäfte machten, brauchte er nie das ganze Geld, daß er in der Schublade hatte.
    Angenommen, Deirdre hatte das Geld entdeckt und Jasper darauf angesprochen. War vielleicht doch er der Mörder, nicht Fabian? Ich hing weiter an dem Gedanken, daß Fabian seine Frau getötet hatte. Das lag nicht nur an meiner Abneigung gegen ihn, sondern auch an der Heftigkeit, mit der ihr der Kopf eingeschlagen worden war - das sah nach einem sehr privaten Racheakt aus.
    Doch Deirdres Persönlichkeit war alles andere als unkom pliziert gewesen. Möglicherweise hatte sie auch jemand anders zur Weißglut getrieben. Sie konnte zum Beispiel herausgefunden haben, wie die illegalen Einwanderer ausgebeutet wurden -da sie oft im Büro von Home Free tätig war, wußte sie wahrscheinlich eine ganze Menge. Vielleicht hatte sie Jasper deswegen zur Rede gestellt, und der hatte ihr daraufhin den Schädel eingeschlagen.
    Tamar Hawkings hatte möglicherweise gesehen, wer in der Mordnacht ins Pulteney gekommen war. Wenn ich sie vor der Polizei finden konnte, würde sie vielleicht mit mir reden. Ich setzte ihren Namen unter dem Stichwort »Deirdre« auf die Liste der zu erledigenden Dinge.
    Dann war da noch Tish, die rechte Hand von Jasper Heccomb. Inwieweit war sie - wissentlich oder unwissentlich - an Jaspers unsauberen Geschäften beteiligt? Wie konnte ich sie soweit einschüchtern, daß sie mit mir redete? Ich hatte keine Ahnung, also zeichnete ich ein ordentliches Viereck neben ihren Namen und füllte es mit Fragezeichen.
    Unter diesem Teil zog ich einen Strich und schrieb dann in Großbuchstaben »Lamia«. Die Century Bank hatte den bereits bewilligten Kredit zurückgezogen. Sobald ich begonnen hatte,

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