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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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deswegen herumzuschnüffeln, war Lamia von Home Free mit einem Sanierungsprojekt bedacht worden, und die Frauen hatten den Auftrag, angespornt von Phoebe, angenommen, ohne den Zuschüssen noch lange nachzutrauern. Mir hatten sie den Auftrag entzogen. Die Century Bank hatte Home Free einen Kreditrahmen von fünfzig Millionen Dollar eingeräumt - ein unglaublicher Betrag für ein gemeinnütziges Unternehmen. Warum?
    Es bestand eine enge Verbindung zwischen Phoebe, Gantner und Jasper: Ich hatte sie gleich nach dem Deal bei einem Treffen ertappt. JAD Holdings - dieser Name brachte all diese Leute zusammen. JAD wollte Century kaufen. Fabians Ratschläge zur Boland-Novelle waren unter diesem Stichwort abgelegt gewesen, und auf Alec Gantner hatte der Name am Freitag große Wirkung gehabt. Ich schrieb ganz oben auf die Seite in Großbuchstaben JAD.
    Warum war ich noch nicht tot? Diese Frage schlich sich in mein Gehirn und aufs Papier, ohne daß ich groß darüber nachgedacht hätte. Sie hätten mich auch umbringen können, statt mich bewußtlos zu schlagen und dann meine Wohnung zu durchsuchen. Die Schläger hatten sich bestimmt nicht durch ihre Angst vor der Todesstrafe und auch nicht durch Mitleid mit mir zurückhalten lassen. Wenn das die Killer von Deirdre waren, machten ihnen solche Überlegungen nicht zu schaffen. Sie nahmen an, daß ich etwas wußte oder hatte, was sie wollten. Deshalb konnten sie mich nicht umbringen, bevor sie dieses Etwas nicht besaßen.
    Was, konnte ich mir allerdings nicht vorstellen. Schließlich knallte ich den Stift frustriert auf den Block.
    Lotty sah mich an. »Zeit fürs Bett, Liebchen. Es ist schon Mitternacht. Trink noch ein bißchen Saft, und dann ab in die Falle.«
    Als ich um zehn Uhr aufwachte, war ich allein im Haus. Nachdem ich vorsichtig Dehnungsübungen gemacht hatte, ging ich hinunter in die Küche, wo ich auf dem Tisch einen Zettel mit Lottys ordentlicher Handschrift fand.
    8 Uhr früh - Max geht es gut; er ist schon zur Arbeit gefahren, und ich werde das auch gleich machen. Victoria, versuch, den Tag ruhig zu verbringen. Ich weiß, es geht Dir gegen den Strich, untätig herumzusitzen, aber Du brauchst die Ruhe. Du könntest ja einen langen Spaziergang am See machen. Die Schlüssel sind in der Schublade mit den Silbersachen.
    Alles Liebe, Lotty
    Ihre liebevollen Worte erfüllten mich mit einem Gefühl des Friedens, das auch noch anhielt, als ich mir zum Frühstück einen Apfel und ein bißchen Käse aufschnitt. Während ich Wasser für den Kaffee aufsetzte, blätterte ich zum Zeitvertreib die Zeitungen auf dem Frühstückstisch durch, ohne sie richtig zu lesen. Ich nahm das Wort aus den Augenwinkeln wahr, als ich den Wirtschaftsteil überflog: Zellaktivatortechnologie. Ich ließ den Rest der Zeitung auf den Boden fallen und legte die Seiten des Wirtschaftsteils aufgeschlagen auf den Tisch. Der Artikel befand sich unten auf Seite drei, gleich über den Terminhandelsdaten. Wäre er ein bißchen weiter oben abgedruckt gewesen, hätte ich ihn vermutlich überhaupt nicht gesehen.
    Zellaktivatortechnologie geht ins Versuchsstadium
    Chicago. Die Food and Drug Administration gibt heute vormittag ihre Zustimmung zur ersten Testphase eines Mittels, das als T-Zellen-Aktivator zum Einsatz kommen soll. IG-65, so der Name des Lipoproteins, das angeblich die T-Zellen-Membran verstärkt, hat das Potential, das Immunsystem HIV-Positiver zu unterstützen. Das Präparat, das noch in der ersten Entwicklungsphase steckt, ist das Produkt eines kleinen Unternehmens mit dem Namen Cellular Enhancement Technology. Der republikanische Senator Alexander Gantner aus Illinois sagte bei der Verkündung der Entscheidung am Freitagnachmittag, daß es von allergrößter Bedeutung sei, Präparate wie IG-65 so schnell wie möglich ins Anwendungsstadium zu bringen, in einem Bereich, in dem so viele Menschenleben auf dem Spiel stünden.
    Ich blätterte die Zeitung fieberhaft auf der Suche nach weiteren Berichten zu dem Thema durch, doch der Name des Unternehmens wurde nicht mehr erwähnt. Ich schob die Zeitung weg und starrte blind aus dem Fenster. Das war also Phoebes Gegenleistung. Sie hatte die Lamia-Frauen von ihrem Vorhaben abgebracht, und Alec Gantner überredete dafür die Food and Drug Administration, IG-65 die Versuchsphase zuzulassen. Aber warum hatte sie das getan?
    Zusammen mit meiner Wut meldete sich auch der Schmerz in meinem Kopf. Immer mit der Ruhe, redete ich mir zu. Wegen meiner Wut und

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