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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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angerührt, aber während der Untersuchung konnte ich den Blick nicht von dem Essen wenden - schließlich hatte ich am Vortag und auch am Sonntag kaum etwas zu mir genommen.
    Der Neurologe erklärte mir, die Kernspintomographie solle um halb elf gemacht werden; es würde mich jemand im Rollstuhl hinbringen. Als ich erwiderte, ich könne selbst hingehen, lächelte er mich sanft an.
    »Das glaube ich Ihnen gern, Ms. Warshawski. Aber während Sie hier bei uns sind, sollten Sie uns den Gefallen tun und sich an die Hausregeln halten. Das ist lediglich eine Vorsichtsmaßnahme und möglicherweise unnötig, aber wir hatten schon Leute, die fühlten sich kerngesund und sind dann mit Blutgerinnseln im Gehirn zusammengebrochen. Also ruhen Sie sich aus. Es kommt gleich jemand vorbei und bringt Ihnen eine Zeitung. Dann sind Sie in null Komma nichts hier raus.« Ich versuchte zustimmend zu lächeln, aber da ich darin nicht sonderlich viel Übung habe, weiß ich nicht, wie gut mir das gelang. Sobald die Arzte weg waren, stürzte ich mich auf das Essen und verschlang alles, sogar das süße Brötchen, das ziemlich altbacken war. So gestärkt schlenderte ich anschließend den Flur entlang, um Mr. Contreras aufzuspüren. Eine Schwester, die auf das Ende ihrer Schicht wartete, schlug gern seine Zimmernummer und die von Emily für mich nach.
    Die Freude meines Nachbarn darüber, mich zu sehen, wurde durch seine Verlegenheit gedämpft, daß er ein jämmerliches Krankenhaushemdehen tragen mußte. In all den Jahren, die wir uns nun schon kannten, hatte er mir nicht einmal die Tür aufgemacht, wenn er nur mit Unterhemd und Hose bekleidet war.
    Seine übliche gute Laune war zusätzlich durch einen Anruf seiner Tochter beeinträchtigt worden. Aufgescheucht durch die Fernsehberichte über unsere heroische Rettungsaktion, wollte sie am Mittag mit ein paar Kleidungsstücken vorbeikommen und ihn und die Hunde nach Elk Grove Village verfrachten.
    »Ich hoffe bloß, daß Mitch sie beißt, wenn sie versucht, in die Wohnung zu kommen«, meinte er düster. »Aber dann wird sie ihn wahrscheinlich einschläfern lassen.«
    »Sie müssen doch nicht gehen.«
    »Sie nimmt die Hunde auch«, erklärte er mir. »Ich hab' den Fehler gemacht, ihr zu sagen, daß ich wegen Peppy und Mitch nicht zu ihr kann. Aber Sie holen uns doch wieder, gell, Süße? Wenn ich allerdings das Geld für die Grundsteuer nicht auftreibe, könnte es sein, daß ich bei ihr bleiben muß.«
    »Am Donnerstag hole ich Sie gleich in der Früh ab«, versprach ich ihm, ohne zu wissen, was der nächste Tag bringen würde. Ich notierte mir die Adresse seiner Tochter und umarmte ihn. »Und wegen der Steuer wird uns schon noch was einfallen.« Wäre ich doch genauso optimistisch gewesen, wie ich klang! Wo sollte ich leben, wenn ich gezwungen war, meine kleine Wohnung zu verkaufen? Ich versuchte, nicht darüber nachzudenken, während ich die Flure nach Emilys Zimmer absuchte -ich hatte schon genug um die Ohren, auch ohne die Steuergeschichten.
    Schließlich fand ich Emily in der Kinderabteilung. Vermutlich war es das erste Mal seit Jahren, daß jemand sie als Kind betrachtete. Ich mußte die Straße überqueren, um zu dem Gebäude zu gelangen. Ich warf einen Blick auf meine dünnen Krankenhauspantoffel und das windige Nachthemd.
    »Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg«, murmelte ich und marschierte hinaus.
    Unter dem düsteren Himmel schloß ich mich der Schar von Krankenhausangestellten an, die sich zwischen den Gebäuden des weitläufigen Klinikkomplexes bewegten. Beim Überqueren der Straße sah ich die Abteilung, wo die Kernspintomographien durchgeführt wurden. Ich kam ohne weiteres auch allein dorthin, immer vorausgesetzt, ich wollte das. Ich biß die Zähne zusammen und betrat die Kinderabteilung.
    Als ich bei Emilys Zimmer anlangte, wurde ich Zeugin einer Auseinandersetzung. Ein großer, bärtiger Mann diskutierte vor Emilys Tür lauthals mit einer Schwester. Er schwieg, als er mich entdeckte.
    »Warshawski! Gott sei Dank! Erklär doch bitte dieser Frau, warum ich mich mit Emily Messenger unterhalten muß.«
    »Keine Chance, Ryerson. Ich bin nur über mich selbst überrascht, daß ich dich hier nicht erwartet habe.«

Die Maus zwischen zwei Katzen
    »Du könntest mir helfen, Warshawski«, sagte Murray. »Das Mädchen ist der Schlüssel zu dem Mord an Deirdre Messenger, aber sie lassen mich nicht zu ihr.« »Du hast Nerven«, erwiderte ich in lockerem Tonfall, aber mit mörderisch funkelnden

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