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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Lokal. In einem Raum voller grellbunt gekleideter Männer zogen sein weißes Seidenhemd und seine fließende schwarze Hose die Blicke auf sich. Schon das Hemd allein mit seinen Epauletten und dem gekerbten Kragen, auf dem die Aufschrift »Thierry« prangte, hatte Cyrus bestimmt einen Tausender gekostet. Er begrüßte einen Mann mit einem Kuß, winkte ein paar anderen zu und setzte sich auf einen Barhocker wie ein Löwe, der hofhält. Ich rückte mit meinem Stuhl weiter in die Ecke, damit er mich nicht sofort sah.
    »Wir müssen versuchen, ihn von den anderen abzusondern, bevor er sich mit jemandem unterhält«, murmelte ich Murray zu.
    »Du erwartest hoffentlich nicht von mir, daß ich mit den Talenten hier in Wettstreit trete«, murmelte Murray zurück.
    »Spielverderber.« Ich kritzelte etwas auf meinen Block. »Gib ihm das, und versperr ihm mit deinem Körper die Sicht in den Raum. Wenn ich Glück habe, ist er bereit, das Lokal mit dir durch den Hinterausgang zu verlassen.«
    Sobald Murray mich mit seinem massigen Körper verdeckte, legte ich einen Zwanziger auf unseren Tisch und verschwand unauffällig durch den Vorhang am hinteren Ende des Raums. Dahinter verbargen sich Toiletten, Telefone und ein paar Zimmer, die die Inhaber als Büro- und Lagerräume nutzten. Pärchen knutschten in dem engen Flur miteinander; einige benutzte Kondome lagen auf dem Boden. Der Geruch von Schweiß und Sperma hing in der Luft.
    Ich atmete durch den Mund, während ich versuchte, die Tür zu einem Büro zu öffnen. Sie war verschlossen, wenn auch nicht unüberwindbar. Die Leute rund um mich herum waren mit sich selbst beschäftigt. Ich zog eine Kreditkarte aus meiner Brieftasche und öffnete damit das Schloß, gerade als Murray und Cyrus durch den Vorhang traten. Cyrus wirkte etwas nervös, mich hatte er noch nicht entdeckt. Bevor er mich sehen konnte, packte ich ihn am Arm und schob ihn mit Murrays Hilfe ins Büro. Dann schaltete ich das Licht an, holte mir einen Stuhl heran und setzte mich mit dem Rücken zur Tür.
    »Cyrus, es ist mir wirklich ein Vergnügen.«
    In dem fluoreszierenden Licht wirkte seine Haut teigig. »Warshawski! Was ...?
    Wie ...?«
    »Sal hat mir gesagt, ich soll's doch mal hier versuchen. Mach dir keine Sorgen wegen der Schläger - den Zettel hab' ich geschrieben.«
    Ich hatte ihm - natürlich anonym - mitgeteilt, daß j emand von ihm Geld wolle, daß dieser Jemand mit einem Wagenheber bewaffnet sei, daß mein Freund ihm aber helfen würde, durch den Hinterausgang zu entkommen. Angesichts seines kostspie ligen Geschmacks war es nur allzu wahrscheinlich, daß er mehr als einem Menschen Geld schuldete.
    »Was willst du? Ich könnte anfangen zu schreien. Gee-Gee würde mich hören und euch rauswerfen.«
    »Nö. Mein Freund hier würde dann einfach sagen, daß es gerade ziemlich aufregend geworden ist - wie bei den Typen draußen im Flur. Gee-Gee wär's vielleicht nicht so recht, daß ihr so was in seinem Büro macht, aber rauswerfen würde er euch bestimmt nicht. Wir werden uns jetzt unterhalten. Beziehungsweise du wirst uns erzählen, was im Rathaus vor sich geht.«
    »Und was ist, wenn ich das nicht mache?« Er schmollte, hatte aber wenigstens keine Angst mehr - er kannte mich gut genug, um zu wissen, daß sein Körper nicht in Gefahr war.
    »Weißt du, mein Freund Murray hier ist beim Herald-Star - zeig ihm deinen Presseausweis, damit er sieht, daß ich ihn nicht anlüge -, und wenn du nicht redest, schreibt er einen großen Artikel über Cyrus Lavalle, den Rathausspitzel. Das würde ein paar Leuten gar nicht gefallen. Könnte dich sogar um deinen Job bringen.« Murray hockte sich auf die Kante des mit Papier überladenen Schreibtischs, der den größten Teil des Raums einnahm. Er holte seine Brieftasche heraus, zeigte Cyrus seinen Presseausweis und bat mich dann um die korrekte Schreibweise von Cyrus' Nachnamen.
    Cyrus sah zuerst Murray an, dann meinen Stuhl, der ihm den Fluchtweg versperrte. »Das würdest du nicht wagen. Das wäre Verleumdung ... «
    »Nur wenn es eine Lüge wäre. Aber das, was ich sage, ist die Wahrheit. Wenn du dich natürlich dazu überwinden könntest, mir ein paar Fakten zu erläutern, könnte ich Murray überreden zu vergessen, daß er dich jemals gesehen hat. Er hat eine ganze Menge Informanten im Rathaus. Niemand würde bei einem Artikel, den er schre ibt, sofort an dich denken.«
    Während Cyrus sich noch widerwillig die Lippen leckte, zog Murray das Telefon heran, das auf dem

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