Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
der Typ dir die Hand geküßt hat ... « Mir tat schon der Bauch weh vor Lachen. »Den Anblick werde ich mein Lebtag nicht vergessen.«
    »Dein Leben wird nicht mehr allzu lange dauern, wenn du nicht sofort mit dem Gegacker aufhörst«, zischte mich Murray an.
    Als ich mich immer noch nicht beruhigen konnte, packte er mich an der Schulter und zeigte auf einen Kasten von einem Mann, den Rausschmeißer, der mich anschaute wie ein streunender Hund, der gerade sein Mittagessen entdeckt hat. Ein Kellner runzelte ebenfalls die Stirn über uns. Ich riß mich zusammen, so gut es ging, und bestellte, nach Luft ringend, einen Whisky. Murray trank Budweiser, sein Lieblingsbier.
    Der Kellner erklärte mir, die anderen Gäste wollten Musik hören und wüßten es zu schätzen, wenn ich mich nicht über sie lustig machen würde. Als ich mich wortreich entschuldigte, war der Auftritt der Frau im paillettenbesetzten Kleid zu Ende, und donnernder Applaus dankte ihr. Erst als sie hinter die Bühne stolzierte, merkte ich, daß sie ein Mann war. Ich würde wahrscheinlich nie so gut aussehen, nicht mal dann, wenn ich mir so ein Kleid leisten könnte.
    Als der Applaus verebbte und auch die anderen Gäste ihre Gespräche wiederaufnahmen, erzählte ich Murray, warum wir in dem Lokal waren.
    »Cyrus ist eine meiner Quellen. Es macht mir nichts aus, wenn du mit ihm sprichst, aber wenn du irgendwas über ihn schreibst, versiegt die Quelle. Kapiert?«
    »Halt deiner Großmutter Vorträge«, meinte er verärgert. »Warum machen wir das Affentheater hier mit? Was hat deine Quelle zu bieten?«
    »Ich hab' meiner Oma früher immer dabei zugeschaut, wie sie alte Pullover aufgetrennt hat, um neue zu stricken. Sie hat das formlose Ding hin und her gedreht, hier und da gezupft, und plötzlich hatte sie den richtigen Faden gefunden, an dem sie bloß noch ziehen mußte. Ich hoffe, daß Cyrus den Faden für mich hat.«
    Ich holte einen Block aus meiner Tasche und begann, Rechtecke aufs Papier zu zeichnen: eins für Century, eins für Gateway, eins für Lamia, eins für Home Free. Ü ber den Rechtecken notierte ich die Leute, die mit jedem Block verbunden waren.
    »Die Leute gehören alle irgendwie zusammen, ich weiß bloß noch nicht, wie. Wenn ich das herausfinden könnte, wüßte ich wahrscheinlich auch, warum Deirdre gestorben ist.
    Ich glaube zwar, daß Jasper Heccomb oder einer von seinen Kumpeln sie getötet hat, aber hundertprozentig sicher bin ich nicht. Und bis ich nicht weiß, warum sie ermordet wurde, kann ich auch nicht sagen, wer's war.«
    Nachtragend war Murray nicht. Noch bevor ich ihm die Hälfte meiner Geschichte über Century, Phoebe, Lamia, Jaspers Bargeldschublade und meine Begegnung mit Anton auf der Baustelle von Home Free erzählt hatte, hatte er schon seinen Block herausgeholt und schrieb eifrig mit.
    »Du glaubst also, daß deine drei Musketiere zusammen die Jad Holdings bilden. Das müßte ich eigentlich rausfinden können.«
    Ich grinste. »Hört sich gut an.« »Woher kommt Jaspers Geld?«
    »Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, wo das Geld hinfließt. Ein Teil davon geht mit Sicherheit an die Bauunternehmer direkt, damit die keine Steuern zahlen müssen, aber dafür braucht man keine fünf Millionen.«
    »Und Emily Messenger?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich würde gern nur einen Teil ihrer Geschichte publik machen. Meiner Meinung nach ist der Mörder ihrer Mutter hinter ihr her, weil er glaubt, daß sie ihn identifizieren kann. Wenn er aber erfährt, daß sie lediglich ein Paar Schuhe gesehen hat, läßt er sie vielleicht in Ruhe. Sie hat in letzter Zeit ziemlich viel durchgemacht. Da müssen sich nicht auch noch die Medien auf sie stürzen.« Murray leerte die Flasche und bestellte eine neue. »Soweit ich weiß, glauben deine Freunde von der Polizei, daß sie ihre Mutter umgebracht hat. Sie könnten jederzeit einen Haftbefehl beantragen - es kommt ganz darauf an, was Fabian als nächstes machen wird.«
    Ich versuchte, mir nicht anmerken zu lassen, wie schockiert ich über diese Nachricht war, aber ganz konnte ich meinen Ärger über Conrad und Finchley doch nicht verbergen. Conrad hatte das mit dem Haftbefehl sicher schon am Morgen gewußt, aber er hatte es nicht geschafft, es mir zu sagen. Der Applaus, der die Rückkehr des Künstlers im paillettenbesetzten Kleid begleitete, gab mir Gelegenheit, mich zu sammeln - ich wollte Conrad vor Murray nicht schlechtmachen.
    Etwa nach der Hälfte der ersten Nummer betrat Cyrus das

Weitere Kostenlose Bücher