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Engel im Schacht

Engel im Schacht

Titel: Engel im Schacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sara Paretsky
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Schreibtisch stand. »Ich könnte die Redaktion anrufen und sagen, daß sie ein bißchen Platz lassen sollen in der Spätausgabe.«
    Natürlich konnte er das nicht - bloß im Fernsehen werden Storys über Korruption sofort gesendet, ohne daß zuerst Hunderte von Redakteuren, Rechercheuren und Anwälten herangezogen werden, die überprüfen, ob die Geschichte nicht einem wichtigen Inserenten schaden könnte. Aber Cyrus wußte das nicht. Er sank in sich zusammen.
    »Century Bank, Rathaus, Home Free, Lamia.« Ich zählte die Namen an meinen Fingern auf. »Wenn wir über die geredet haben, kannst du gehen. Ich weiß, daß Home Free seine Lohnabrechnungen in großem Umfang türkt. Wen bezahlen sie, damit keine Nachforschungen angestellt werden?«
    Sein Gesicht hellte sich auf - er war so erleichtert, daß ich sofort wußte: Die Arbeitszeit-und Lohnprotokolle waren nicht das Problem. Er erzählte von den unterschiedlichsten Personen im Rathaus, die für solche Geschichten zuständig waren. Ich kannte nur manche der Leute. Murray jedoch waren sie alle ein Begriff - schließlich ist die Lokalpolitik sein täglich Brot.
    Cyrus rasselte etwa fünf Minuten lang Namen herunter und erwähnte dann abgesehen von Charpentier noch zwei weitere Bauunternehmer, mit denen Home Free zusammenarbeitete. »Mehr weiß ich auch nicht. Das heißt, daß du die Tür jetzt freigeben kannst.«
    »Das ist alles, was du über die Geschichte mit den Lohnabrechnungen weißt«, berichtigte ich ihn. »Aber das ist nicht der Grund für die Aufregung über das Lamia-Projekt. Lamia hatte eine Baugenehmigung, und plötzlich, sozusagen über Nacht, wird die zurückgezogen. Warum? Stecken die Stadträte dahinter oder der Bürgermeister? Die Stadträte sind in ihren Bezirken für diese Dinge zuständig, also kann's nicht die Baubehörde gewesen sein.«
    Ich mußte noch weitere fünf Minuten nachbohren. Das machte keinen großen Spaß, denn ich gefalle mir nicht in der Rolle der Tyrannin, und Cyrus war als verängstigtes Kaninchen nicht gerade attraktiv. Als Murray schließlich mit der Lokalredaktion des Herald-Star verbunden wurde, begann Cyrus zu reden - allerdings auch nur, nachdem wir ihm mehrfach versprochen hatten, seinen Namen nicht zu erwähnen.
    »Eigentlich hat alles mit der Bank zu tun. Century ist immer eine kleine Bank gewesen, die den größten Teil ihres Geldes in der eigenen Kommune angelegt hat. Dann hat sie plötzlich angefangen, ihre Kreditpolitik zu verändern. Offenbar hat jemand die Bank gekauft oder das zumindest versucht - den Teil der Geschichte kenne ich nicht.« Er leckte sich nervös die Lippen, besorgt darüber, daß ich ihm das vielleicht nicht glaubte und mein Versprechen brach, seinen Namen nicht zu erwähnen. Ich beruhigte ihn, sagte ihm, er brauche sich keine Gedanken zu machen, denn ich wisse, wer die neuen Besitzer von Century seien.
    »Wir haben Wind davon bekommen, weil sich ein paar Leute bei der Stadt beklagt haben, als Century plötzlich Kredite für Wohnungsbauvorhaben verweigert hat, die früher immer gewährt wurden - Kredite für Minoritäten, Geschäfte von Frauen, Hypotheken für Angehörige von Minderheiten. Solche Sachen. Natürlich ist die Bundesregierung für die Bankenaufsicht zuständig, nicht das Rathaus, aber die Leute beschweren sich, reden mit ihrem Stadtrat, der möglicherweise jemanden im Kongreß kennt, vielleicht informiert der Stadtrat auch einfach nur die Abteilung, die für den Wohnungsbau zuständig ist.
    Als du mich angerufen und Fragen über Lamia gestellt hast, hab' ich gedacht, das ist die ganze Story. Ich hab' mich umgehört, wollte mal sehen, wer der zuständige Stadtrat ist. Da hättest du dann weitermachen können. Also habe ich mich mit ein paar Leuten unterhalten, die mit Wohnungsbau und Finanzierung zu tun haben. Und ich habe Gerüchte gehört, nichts Spezielles, aber alle möglichen Gründe, warum man keine Fragen stellen sollte über die Century Bank. Einer hat behauptet, der Präsident – der Vereinigten Staaten, meine ich - hätte dem Bürgermeister gesagt, das Thema ist tabu. Eine Frau in der Finanzbehörde meinte, das wäre nicht der Präsident gewesen, sondern jemand im Kongreß. Wieder jemand anders hat gesagt, es war jemand im Ministerium für Wohnungsbau - alle Gelder für den sozialen Wohnungsbau in Chicago würden gestrichen, wenn wir die Entscheidungen von Century anzweifelten.«
    Wieder leckte er sich die Lippen und holte eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hose, die so

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